Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Feldzug von 1793. 133 
Vorhöhen des Gebirges, wo dereinst die ersten Schläge des großen Ver- 
geltungskrieges fallen sollten, befreite das von den Verbündeten belagerte 
Landau und zwang Wurmser zum Rückzuge. Das preußische Heer konnte 
nach den Niederlagen der Oesterreicher das Gebirge nicht mehr halten 
und räumte die Pfalz. Das unglückliche Land lernte in den Schrecken 
des „Plünderwinters“ die Wohlthaten der französischen Freiheit kennen. 
Schwere Niederlagen wecken die sittliche Kraft in einem tüchtigen Heere; 
dieser durch fremde Schuld verlorene Feldzug zerrüttete die Mannszucht 
unter den preußischen Offizieren. Man schalt und klagte laut, forderte 
die Heimkehr aus dem unnützen Kriege. Das unpreußische Wesen, das 
die Verwaltung lähmte, drang auch in das Heer; die Armee glich einer 
militärischen Republik; der Groll gegen die Oesterreicher entlud sich in 
hundert gehässigen Händeln. Auch auf dem niederländischen Kriegstheater 
war die jetzt durch England verstärkte Coalition wenig glücklich. Sie hatte 
Belgien zurückgewonnen, und im Sommer, nach der Einnahme von Valen- 
ciennes und Mainz, lag die Straße nach Paris offen vor den verbündeten 
Heeren, wenn man den Entschluß fand, die Armeen zu einem gemeinsamen 
Vorstoße zu vereinigen. Aber die englische Handelspolitik verlangte nach 
dem Besitze von Dünkirchen, Thugut forderte die Eroberung der Picardie; 
über dem Gezänk der Diplomaten ging der günstige Zeitpunkt verloren 
und zu Ausgang des Feldzugs stand man wieder in der Defensive an 
der belgischen Südgrenze. Unterdessen war die Kriegsmacht der Republik 
in beständigem Wachsen. Die Schreckensherrschaft der Jacobiner unter- 
warf das gesammte Land der Dictatur der Hauptstadt; sie bedurfte des 
Krieges, weil sie jedes wirthschaftliche Gedeihen zerstörte. Der Gedanke 
der revolutionären Propaganda ward zur furchtbaren Wahrheit; eine 
ruhelose Verschwörung spannte ihre Netze über den halben Welttheil, bis 
nach Warschau und Turin, nach Amsterdam und FIrland, versuchte die 
Grenzen aller Länder in's Wanken zu bringen. Das Volk brachte zitternd 
die ungeheuren Opfer, welche das Gebot der Pariser Gewalthaber ihm 
auferlegte. Wenngleich der Terrorismus der Conventscommissäre die 
deutschen Provinzen Frankreichs erbitterte und im katholischen Elsaß da 
und dort sogar altösterreichische Erinnerungen wachrief, die Masse der 
Bauerschaft im Osten hielt doch treu zu der Tricolore, weil sie von dem 
Siege der Coalition die Rückkehr der Zehnten und Frohnden fürchtete. 
In Straßburg wurde das hohe Lied der Revolution gedichtet. Carnot's 
Genie gab dem Heere eine neue Organisation, fügte Linientruppen und 
Nationalgarden in der taktischen Einheit der Halbbrigaden zusammen, 
beseitigte die unbrauchbaren gewählten Führer, bildete aus den frischesten 
Kräften der altbourbonischen Offiziere und der neuen Freiwilligen ein 
fähiges Offizierscorps. Die wilde Verwegenheit der ungeschulten republi- 
kanischen Generale, die mit rücksichtsloser Vergeudung von Menschenleben 
und Kriegsmaterial auf den Gegner losstürmten, wurde den bedachtsamen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.