Feldzug von 1793. 133
Vorhöhen des Gebirges, wo dereinst die ersten Schläge des großen Ver-
geltungskrieges fallen sollten, befreite das von den Verbündeten belagerte
Landau und zwang Wurmser zum Rückzuge. Das preußische Heer konnte
nach den Niederlagen der Oesterreicher das Gebirge nicht mehr halten
und räumte die Pfalz. Das unglückliche Land lernte in den Schrecken
des „Plünderwinters“ die Wohlthaten der französischen Freiheit kennen.
Schwere Niederlagen wecken die sittliche Kraft in einem tüchtigen Heere;
dieser durch fremde Schuld verlorene Feldzug zerrüttete die Mannszucht
unter den preußischen Offizieren. Man schalt und klagte laut, forderte
die Heimkehr aus dem unnützen Kriege. Das unpreußische Wesen, das
die Verwaltung lähmte, drang auch in das Heer; die Armee glich einer
militärischen Republik; der Groll gegen die Oesterreicher entlud sich in
hundert gehässigen Händeln. Auch auf dem niederländischen Kriegstheater
war die jetzt durch England verstärkte Coalition wenig glücklich. Sie hatte
Belgien zurückgewonnen, und im Sommer, nach der Einnahme von Valen-
ciennes und Mainz, lag die Straße nach Paris offen vor den verbündeten
Heeren, wenn man den Entschluß fand, die Armeen zu einem gemeinsamen
Vorstoße zu vereinigen. Aber die englische Handelspolitik verlangte nach
dem Besitze von Dünkirchen, Thugut forderte die Eroberung der Picardie;
über dem Gezänk der Diplomaten ging der günstige Zeitpunkt verloren
und zu Ausgang des Feldzugs stand man wieder in der Defensive an
der belgischen Südgrenze. Unterdessen war die Kriegsmacht der Republik
in beständigem Wachsen. Die Schreckensherrschaft der Jacobiner unter-
warf das gesammte Land der Dictatur der Hauptstadt; sie bedurfte des
Krieges, weil sie jedes wirthschaftliche Gedeihen zerstörte. Der Gedanke
der revolutionären Propaganda ward zur furchtbaren Wahrheit; eine
ruhelose Verschwörung spannte ihre Netze über den halben Welttheil, bis
nach Warschau und Turin, nach Amsterdam und FIrland, versuchte die
Grenzen aller Länder in's Wanken zu bringen. Das Volk brachte zitternd
die ungeheuren Opfer, welche das Gebot der Pariser Gewalthaber ihm
auferlegte. Wenngleich der Terrorismus der Conventscommissäre die
deutschen Provinzen Frankreichs erbitterte und im katholischen Elsaß da
und dort sogar altösterreichische Erinnerungen wachrief, die Masse der
Bauerschaft im Osten hielt doch treu zu der Tricolore, weil sie von dem
Siege der Coalition die Rückkehr der Zehnten und Frohnden fürchtete.
In Straßburg wurde das hohe Lied der Revolution gedichtet. Carnot's
Genie gab dem Heere eine neue Organisation, fügte Linientruppen und
Nationalgarden in der taktischen Einheit der Halbbrigaden zusammen,
beseitigte die unbrauchbaren gewählten Führer, bildete aus den frischesten
Kräften der altbourbonischen Offiziere und der neuen Freiwilligen ein
fähiges Offizierscorps. Die wilde Verwegenheit der ungeschulten republi-
kanischen Generale, die mit rücksichtsloser Vergeudung von Menschenleben
und Kriegsmaterial auf den Gegner losstürmten, wurde den bedachtsamen