Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Neutralität Norddeutschlands. 141 
zusammen; wurde der Schirmherr Norddeutschlands in einen neuen Krieg 
mit Frankreich verwickelt, so mußte dieser Bund, der jedes sittlichen In— 
haltes, jedes positiven Zweckes entbehrte, augenblicklich zusammenbrechen, 
der Abfall der kleinen Genossen von dem besiegten Preußen stand dann 
unvermeidlich bevor. Nicht einmal die dauernde Unterordnung der kleinen 
norddeutschen Contingente unter Preußens Oberbefehl war von der Selbst— 
sucht dieser Höfe zu erlangen. Die Gedankenarmuth der Berliner Politik 
versuchte kaum ernstlich, die thatsächliche Herrschaft, welche der Staat im 
Norden besaß, zu einer staatsrechtlichen Hegemonie auszubilden; und doch 
ließ sich der Friedensschluß nur dann entschuldigen, wenn man ihn benutzte 
um in Norddeutschland die Politik des Fürstenbundes wieder aufzunehmen. 
Die Trennung des Nordens von dem Süden hatte der alte König immer 
unerbittlich zurückgewiesen so oft Kaiser Joseph sie zu Oesterreichs Vortheil 
durchsetzen wollte; jetzt wurde die Theilung Deutschlands verwirklicht zu 
Frankreichs Vortheil. Sobald Preußen sich in das Stillleben der norddeut— 
schen Neutralität zurückzog, ging der beste politische Gewinn, welchen die 
Wiedererwerbung der fränkischen Stammlande den Hohenzollern verhieß, 
unrettbar verloren; der kräftige Schritt mittenhinein in das oberdeutsche 
Leben war umsonst gethan. Unter den Süddeutschen bestanden fortan nur 
noch zwei Parteien: eine französische und eine österreichische — soweit dies 
ermüdete Geschlecht überhaupt noch politische Gesinnung besaß. Die unzu- 
friedenen württembergischen Landstände und einzelne Feuerköpfe in Baiern 
und Schwaben bewunderten die siegreiche Republik als den Schirmherrn der 
Freiheit. Das Volk aber wußte nichts von den Hintergedanken der Hofburg, 
sah die kaiserlichen Truppen noch jahrelang gegen den Reichsfeind fechten, 
während Preußen thatlos zur Seite stand, und ehrte sie als die letzten treuen 
Beschützer des heimischen Bodens. Im Herbst 1795 focht der Landsturm der 
Bauern auf dem Taunus und dem Westerwalde mit den Oesterreichern ver- 
einigt gegen die plündernde Löffelgarde der Sansculotten. Als Oesterreich 
dann in dem jungen Erzherzog Karl wieder einen Helden fand, da gewann 
der seit Langem fast verschollene Name des Kaiserhauses bei den Oberdeut- 
schen wieder einen hellen Klang; noch heute erinnern alte Holzschnitte in den 
Bauernhäusern des Schwarzwalds an die Schlachten des keaiserlichen 
Oberfeldherrn. In jenen Jahren bildete sich grade unter den besten 
Deutschen des Oberlandes eine österreichische Geschichtsüberlieferung, die 
noch durch Jahrzehnte mächtig fortgewirkt hat; damals, da die Szekler 
und Kroaten im Neckarthale standen, empfing der junge Ludwig Uhland 
die bestimmenden politischen Eindrücke seines Lebens. Preußen aber, das 
den Oberdeutschen niemals recht vertraut gewesen, verfiel jetzt auf lange 
hinaus der allgemeinen Mißachtung. Also wirkten die Baseler Verträge 
nach allen Seiten hin verderblich; und wenn Hardenberg erwartete, der 
Friede werde seinem Staate eine lange Reihe innerer Reformen, die Ein- 
führung der berechtigten Gedanken der Revolution ermöglichen, so sollte
	        
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