Neutralität Norddeutschlands. 141
zusammen; wurde der Schirmherr Norddeutschlands in einen neuen Krieg
mit Frankreich verwickelt, so mußte dieser Bund, der jedes sittlichen In—
haltes, jedes positiven Zweckes entbehrte, augenblicklich zusammenbrechen,
der Abfall der kleinen Genossen von dem besiegten Preußen stand dann
unvermeidlich bevor. Nicht einmal die dauernde Unterordnung der kleinen
norddeutschen Contingente unter Preußens Oberbefehl war von der Selbst—
sucht dieser Höfe zu erlangen. Die Gedankenarmuth der Berliner Politik
versuchte kaum ernstlich, die thatsächliche Herrschaft, welche der Staat im
Norden besaß, zu einer staatsrechtlichen Hegemonie auszubilden; und doch
ließ sich der Friedensschluß nur dann entschuldigen, wenn man ihn benutzte
um in Norddeutschland die Politik des Fürstenbundes wieder aufzunehmen.
Die Trennung des Nordens von dem Süden hatte der alte König immer
unerbittlich zurückgewiesen so oft Kaiser Joseph sie zu Oesterreichs Vortheil
durchsetzen wollte; jetzt wurde die Theilung Deutschlands verwirklicht zu
Frankreichs Vortheil. Sobald Preußen sich in das Stillleben der norddeut—
schen Neutralität zurückzog, ging der beste politische Gewinn, welchen die
Wiedererwerbung der fränkischen Stammlande den Hohenzollern verhieß,
unrettbar verloren; der kräftige Schritt mittenhinein in das oberdeutsche
Leben war umsonst gethan. Unter den Süddeutschen bestanden fortan nur
noch zwei Parteien: eine französische und eine österreichische — soweit dies
ermüdete Geschlecht überhaupt noch politische Gesinnung besaß. Die unzu-
friedenen württembergischen Landstände und einzelne Feuerköpfe in Baiern
und Schwaben bewunderten die siegreiche Republik als den Schirmherrn der
Freiheit. Das Volk aber wußte nichts von den Hintergedanken der Hofburg,
sah die kaiserlichen Truppen noch jahrelang gegen den Reichsfeind fechten,
während Preußen thatlos zur Seite stand, und ehrte sie als die letzten treuen
Beschützer des heimischen Bodens. Im Herbst 1795 focht der Landsturm der
Bauern auf dem Taunus und dem Westerwalde mit den Oesterreichern ver-
einigt gegen die plündernde Löffelgarde der Sansculotten. Als Oesterreich
dann in dem jungen Erzherzog Karl wieder einen Helden fand, da gewann
der seit Langem fast verschollene Name des Kaiserhauses bei den Oberdeut-
schen wieder einen hellen Klang; noch heute erinnern alte Holzschnitte in den
Bauernhäusern des Schwarzwalds an die Schlachten des keaiserlichen
Oberfeldherrn. In jenen Jahren bildete sich grade unter den besten
Deutschen des Oberlandes eine österreichische Geschichtsüberlieferung, die
noch durch Jahrzehnte mächtig fortgewirkt hat; damals, da die Szekler
und Kroaten im Neckarthale standen, empfing der junge Ludwig Uhland
die bestimmenden politischen Eindrücke seines Lebens. Preußen aber, das
den Oberdeutschen niemals recht vertraut gewesen, verfiel jetzt auf lange
hinaus der allgemeinen Mißachtung. Also wirkten die Baseler Verträge
nach allen Seiten hin verderblich; und wenn Hardenberg erwartete, der
Friede werde seinem Staate eine lange Reihe innerer Reformen, die Ein-
führung der berechtigten Gedanken der Revolution ermöglichen, so sollte