214 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
nicht mehr sein,“ sagen Bonaparte's Briefe; die Unabhängigkeit Irlands
und die Zerstörung des britischen Reichthums sollten die Macht des
Inselreichs für immer vernichten. In solchen Träumen verloren konnte
Bonaparte für jetzt einen Bruch mit Preußen nicht wünschen.
König Friedrich Wilhelm wollte, getreu dem leitenden Gedanken seiner
auswärtigen Politik, das Wagniß nur unternehmen, wenn er sich im Rücken
durch Rußland gedeckt wußte. Er ließ, nachdem er in Paris und London
schüchtern zur Erhaltung des Friedens gemahnt hatte, bei dem Czaren
anfragen, ob Preußen auf Rußlands Hilfe rechnen könne. In Petersburg
aber gab die blinde Preußenfeindschaft des hannoverschen Junkerthums
den Ausschlag. Der englisch-hannoversche Gesandte am russischen Hofe,
Graf Münster theilte den unauslöschlichen Haß der englischen Hochtorys
gegen den Erben der Revolution, aber auch den tiefen Widerwillen des
hannoverschen Adels gegen die Rechtsgleichheit und das schlichte, bürgerlich
soldatische Wesen des preußischen Staates: in Preußens Anerbieten sah
er nur eine Falle, nur einen feindseligen Anschlag gegen die Unabhängigkeit
Hannovers. Auf Münster's Rath ertheilte Czar Alexander seinem könig-
lichen Freunde eine ablehnende Antwort. Und da überdies England sich
weigerte, zu Gunsten der preußischen Flagge seine harten Schifffahrtsgesetze
zu mildern, so wurde die hannoversche Regierung, als sie endlich eigen-
mächtig in der elften Stunde um Preußens Hilfe bat, abschlägig beschieden.
Mitten im Frieden des Reichs rückte das Armeecorps Mortier's un-
gestört in das Reichsland Hannover ein, das nach Völkerrecht mit dem
englisch -französischen Kriege nichts gemein hatte. Die Unfähigkeit der
alten Staatsgewalten bereitete den bonapartischen Heerschaaren abermals
ein leichtes Spiel. Das treue Volk haßte den Franzosen als den Erb-
feind, noch von den Siegen Ferdinand's von Braunschweig her, und war
gern bereit den alten niedersächsischen Schlachtenmuth wieder an dem
Franzmann zu erproben, „wenn hei nich ruhig sin kann.“ Aber das
feige Adelsregiment in Hannover gab den Truppen den Befehl, „bkeine
Ombrage zu erregen," und überlieferte, ohne jeden Versuch ernsten Wider-
standes, durch den Vertrag von Suhlingen das ganze Land dem feind-
lichen Heerführer. Zum zweiten male binnen fünfzig Jahren ward die
tapfere hannoversche Armee durch eine ehrlose Politik zur Capitulation
gezwungen. Und diesmal folgte nicht, wie einst auf den Tag von Kloster
Zeven, ein rettendes Eingreifen der britischen Regierung: England ließ die
Franzosen gewähren. Am 4. Juni 1803 zogen die französischen Truppen,
zur Feier des Geburstages Georg's III., in die Stadt Hannover ein.
Mortier sperrte die Elbe und Weser, erhob Contributionen im Gebiet der
Hansestädte. Zwei Jahre lang währte die Besetzung und Aussaugung des
hannoverschen Landes; Bonaparte gab eigenhändig Anweisungen, wie der
königliche Marstall nach Paris geschafft, die Forsten zum Besten der fran-
zösischen Flotte verwüstet werden sollten. Eine zweite noch schimpflichere