Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Ulm und Ansbach. 223 
mit Rußland gespannt und fast verfeindet, von allen Seiten beargwohnt 
und mißachtet, sah der preußische Hof dem Ausbruche des Titanenkrieges 
zu, wie der Feigling Lombard in seiner Seelenangst zu sagen pflegte. 
Mit zermalmenden Schlägen traf Napoleon das österreichische Heer an 
der oberen Donau, noch bevor die Russen herankamen; die Welt erfuhr 
zum ersten male, was es bedeutete, daß die französische Militärmacht 
jetzt durch die kriegerische Kraft der rheinischen Lande und des deutschen 
Südens verstärkt war. Die Glorie des großen Tages von Trafalgar, 
der die Flotte Napoleon's vernichtete, verschwand fast neben den Schreckens- 
nachrichten, die aus Oberdeutschland kamen: wie die einzelnen Corps der 
österreichischen Armee in einer Reihe glänzender Gefechte geschlagen, das 
Hauptheer unter Mack bei Ulm zu schimpflicher Capitulation gezwungen 
wurde, wie die Raserei der verzweifelnden Angst durch die Reihen der 
Kaiserlichen flog, überall im Heer und Beamtenthum Kopflosigkeit, Schwäche 
und Feigheit, alle Sünden eines tiefverderbten Staatswesens heraustraten, 
wie die große Armee endlich in unaufhaltsamem Vormarsch bis zur Haupt- 
stadt Oesterreichs vordrang. 
Aber zum Glücke für die Verbündeten hatte der Sieger schon bei 
Beginn des Feldzugs eine That des Uebermuthes sich erlaubt, welche, 
recht benutzt, dem aussichtslosen Kriege der Coalition eine andere Wendung 
geben, der unhaltbaren Neutralität Preußens ein Ende bereiten mußte. 
Um das Corps Bernadotte's bei Ulm rechtzeitig zur Stelle zu bringen, 
that Napoleon unbedenklich was der Czar nur angedroht hatte, ließ die 
Truppen durch das neutrale preußische Gebiet in Franken marschiren. 
Diesem Staate glaubte er alles bieten zu dürfen, denn Preußen — so 
schrieb er schon früher — „Preußen ist, was es auch sagen mag, in die 
Reihe der Mächte zweiten Ranges hinabgesunken.“ Auf diese Nachricht 
flammte der König auf, sein hohenzollernsches Blut gerieth in Wallung. 
Er verwahrte sein Recht durch eine muthige Erklärung, sagte sich los von 
allen Verbindlichkeiten gegen Napoleon, gestattete den Russen den Durch- 
zug durch Schlesien, befahl die Mobilmachung der gesammten Armee; 
sein gerader Sinn hielt für selbstverständlich, daß der diplomatische Verkehr 
mit Frankreich sofort aufzuhören habe. Auch das Volk empfand die er- 
littene Beleidigung lebhaft. Die Berliner stimmten im Theater jubelnd 
mit ein in die kriegerischen Klänge des Reiterliedes der Wallensteiner, 
lärmten übermüthig vor den Fenstern des Gesandten Laforest; die mär- 
kischen Stände erklärten sich bereit zu unentgeltlichen Lieferungen für die 
Armee; die jungen Offiziere zogen mit der Zuversicht fridericianischer 
Unbesiegbarkeit den Grenzen zu. Lombard und die französische Partei wagten 
den gewohnten Verkehr mit Laforest nur noch insgeheim fortzuführen. 
Auch Hardenberg erkannte jetzt die Nothwendigkeit entschlossener Ab- 
wehr, doch die ganze drängende Gefahr des Augenblicks ermaß er nicht. 
Er sah weder, daß die jüngsten Schritte des Königs jede ehrliche Ver-
	        
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