224 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
ständigung mit dem rachsüchtigen Corsen abschnitten, noch daß dieser Held
nicht gewohnt war sich durch Unterhandlungen in der Verfolgung seiner
Siege aufhalten zu lassen. Der Hoffnungsvolle glaubte noch immer an
die Möglichkeit eines friedlichen Ausgangs und rieth daher, während nur
das rasche Eintreten in den Krieg noch Heil versprach, vielmehr zu einer
bewaffneten Vermittelung, welche leicht durch neue Kriegserfolge der Fran-
zosen überholt werden konnte. Unterdessen kam der Czar selbst nach Berlin,
und am 3. November wurde der Potsdamer Vertrag unterzeichnet. Preußen
verpflichtete sich, Napoleon durch diplomatische Verhandlungen zur Aner-
kennung des Besitzstandes von Luneville zu bewegen. Lehnte er ab, wie
vorauszusehen, so trat die vermittelnde Macht der Coalition bei und
empfing als Siegespreis eine Gebietsvergrößerung; Rußland verhieß durch
seine guten Dienste die Abtretung von Hannover in London durchzusetzen,
während die englischen Staatsmänner lieber Holland an Preußen geben
wollten. Genng, der große europäische Kriegsbund schien geschlossen. Der
Czar verzichtete auf seine polnischen Hintergedanken, sagte reumüthig: „man
wird mich nicht wieder darüber ertappen.“ Eine zärtliche Umarmung über
dem Sarge des großen Friedrich — einer jener rührenden Auftritte, wie
sie Alegander's Schauspielernatur liebte — besiegelte das Bündniß zwischen
den beiden wiederversöhnten Freunden.
Die preußische Armee konnte, nach der Rechnung des Herzogs von
Braunschweig, nicht vor dem 15. December in den Kampf eingreifen; denn
die an der Ostgrenze versammelten Truppen wurden nicht geradewegs
nach Mähren geführt zur Vereinigung mit dem russisch-österreichischen
Heere, sondern auf weitem Umwege nach Thüringen um von dort aus
den Franzosen in den Rücken zu fallen. Diese weitläufige Bewegung
entsprach den Wünschen Oesterreichs und der Vorliebe des Braunschweigers
für künstliche Evolutionen; sicherlich hat dem bedachtsamen alten Herrn auch
der Gedanke vorgeschwebt, vielleicht könne der Krieg doch noch vermieden
werden. Der König hegte im Grunde des Herzens dieselbe Meinung;j er hoffte
noch immer, ohne Schwertstreich, lediglich durch die drohende Entfaltung
seiner Heereskräfte den Frieden zu erzwingen. Er hatte den Einmarsch in
Hannover befohlen, Hessen und Sachsen für die Coalition gewonnen. Ein
Heer von 200,000 Mann versammelte sich an den Südgrenzen der Mon-
archie um die Unabhängigkeit des deutschen Nordens zu vertheidigen;
dazu die englischen und russischen Truppen, die in Hannover landeten,
dazu die Schweden König Gustav's IV., des Todfeindes der Revolution.
Gleichzeitig zog die russische Reservearmee durch Schlesien gegen Mähren,
aus Ungarn führte Erzherzog Karl das österreichische Südheer herbei.
Das Schicksal der Welt hing an der klugen Verzögerung des Kampfes.
Wurde Napoleon von den Alliirten in Mähren durch eine behutsame Defen-
sive hingehalten, bis alle Zuzüge herankamen, bis mit dem verhängniß-
vollen 15. December auch die preußische Armee in die Action eintrat, so schien