Der Norddeutsche Bund. 239
240,000 Mann, das im Kriege unter Preußens Oberbefehl stehen sollte.
Aengstlich war Alles vermieden was den Dünkel der Bundesgenossen
erbittern konnte: Congreß und Tribunal erhielten ihren Sitz nicht in
Berlin, sondern nach altem Reichsbrauch in zwei kleinen Städten. Um
den Ehrgeiz Sachsens und Hessens zu befriedigen schlug man auch die
Mediatisirung der Reichsritterschaft und einiger der allerkleinsten Grafen
und Herren vor, wobei den beiden Mittelstaaten der Löwentheil zuge—
dacht war.
Aber man erfuhr nochmals, daß diesem Staate ohne harte Arbeit
kein Erfolg gelang: nicht so als ein Nothbehelf der Verlegenheit und nicht
durch friedliche Unterhandlungen konnte die kühne Idee des preußischen
Kaiserthums in's Leben treten. Die räthselhaften Schwankungen der
Berliner Staatskunst hatten an allen Höfen tiefes Mißtrauen erregt; ihre
zaudernde Verlegenheit erschien der Welt als durchtriebene Berechnung.
Selbst an dem befreundeten Petersburger Hofe bezweifelte man eine Zeit
lang, ob dieser Norddeutsche Bund nicht ein napoleonisches Ränkespiel sei.
Oesterreich vollends konnte eine Politik, die einen Bruchtheil der alten Kaiser—
herrlichkeit auf Preußen zu übertragen suchte, nicht mit günstigen Augen an—
sehen. Kaiser Franz blieb voll Argwohns, zumal da Preußen die Verhand—
lungen streng geheim hielt; durch die Vermittlung des österreichischen
Gesandten in Paris erhielt der Kurfürst von Sachsen zuerst die Nachricht,
daß Napoleon ihn vor dem Berliner Ehrgeiz warnen lasse. Was ließ
sich unter solchen Umständen von der guten Gesinnung jener Kleinstaaten
erwarten, die von jeher gewohnt waren den Zweck zu wollen ohne die
Mittel, Preußens Schutz zu beanspruchen ohne die geringste Gegenleistung?
Der Kurfürst von Hessen hatte soeben erst wegen des Zutritts zum
Rheinbunde geheime Verhandlungen geführt und war nur deshalb mit
Frankreich nicht handelseins geworden, weil Napoleon dem Habgierigen
das Land der Darmstädter Vettern nicht schenken wollte. Nun betrieb er,
immer in der Hoffnung auf Landgewinn, freudig den Plan des Nord-
deutschen Bundes; doch sein Eifer erkaltete gänzlich sobald sich heraus-
stellte, daß Friedrich Wilhelm's Rechtlichkeit die Mediatisirungen auf ein
sehr bescheidenes Maß beschränken wollte. Das sächsische Cabinet zeigte
wieder denselben steifen Hochmuth, wie einst bei den Berathungen über
Friedrich's Fürstenbund. Von einer Unterordnung des Rautenkranzes unter
ein preußisches Kaiserthum durfte gar nicht die Rede sein. Da Preußen
nachgiebig die Kaiserwürde fallen ließ, forderte der Dresdner Hof ein
Bundesdirectorium, das zwischen Preußen, Sachsen und Hessen reihum
gehen sollte, und statt des Bundesheeres und des Bundesgerichts viel-
mehr drei Kreisheere und drei Kreistribunale unter der Leitung der drei
Vormächte. Die alte Sehnsucht der Albertiner nach der Einverleibung
der ernestinischen Lande wurde wieder lebendig und blieb seitdem durch
zwei Menschenalter der Lieblingswunsch der Dresdner Staatskunst. Auch