Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Preußen und Cleve mit Brandenburg vereinigt. 27 
ihr Staat stand und fiel fortan mit dem Protestantismus. Zur selben 
Zeit nahm Johann Sigismund das reformirte Bekenntniß an. Er legte 
damit den Grund für die folgenreiche Verbindung seines Hauses mit dem 
Heldengeschlechte der Oranier und trat aus der leidsamen Trägheit des 
erstarrten Lutherthums hinüber in die Gemeinschaft jener Kirche, welche 
allein noch die politischen Gedanken der Reformation mit kriegerischem 
Muthe verfocht. Der calvinische Landesherr beherrschte in den Marken 
ein hart lutherisches Volk; in Preußen saßen Lutheraner und Katholiken, 
in den niederrheinischen Landen die Bekenner aller drei großen Kirchen 
Deutschlands bunt durcheinander. Von dem Glaubenshasse der eigenen 
Unterthanen bedroht, sah sich das Fürstenhaus gezwungen, allen kirch— 
lichen Parteien durch duldsame Schonung gerecht zu werden. Dergestalt 
ward die eigenthümliche Doppelstellung der Hohenzollern zu unserem 
kirchlichen Leben begründet: sie standen, seit die Macht der Pfälzer zer— 
fiel, an der Spitze des streitbaren Protestantismus im Reiche und ver— 
traten doch zugleich den Grundgedanken der neuen deutschen Gesittung, 
die Glaubensfreiheit. Mit dem Scharfblicke des Hasses sagten schon in 
den Tagen Johann Sigismund's kaiserliche Staatsmänner voraus: es 
stehe zu befürchten, daß der Brandenburger nunmehr der Führer der 
gesammten protestantischen Partei werden könne. 
Mit der preußischen Herzogskrone gewann das Haus Hohenzollern 
jene stolze Colonie des gesammten Deutschlands, die mit dem Blute aller 
deutschen Stämme noch reicher als die Mark benetzt war und sich vor 
allen Landschaften des Reiches einer großen und heldenhaften Geschichte 
rühmte: hier in dem „neuen Deutschland“ hatte einst der deutsche Orden 
die baltische Großmacht des Mittelalters aufgerichtet. Das entlegene, 
durch die Feindschaft des polnischen Lehnsherrn wie der skandinavischen 
und moskowitischen Nachbarn unablässig bedrohte Grenzland verwickelte 
den Staat der Hohenzollern in die wirrenreichen Kämpfe des nordischen 
Staatensystems. Während er also an der Ostsee festen Fuß faßte, er- 
warb Johann Sigismund zugleich das Herzogthum Cleve nebst den Graf- 
schaften Mark und Ravensberg, ein Gebiet von geringem Umfang, aber 
hochwichtig für die innere Entwicklung wie für die europäische Politik 
des Staates: Lande von treu bewahrter alter Bauern= und Städte- 
freiheit, reicher und höher gesittet als die dürftigen Colonien des Ostens, 
unschätzbare Außenposten an Deutschlands schwächster Grenze. In Wien 
und Madrid ward es als eine schwere Niederlage empfunden, daß eine 
neue evangelische Macht sich festsetzte dort am Niederrheine, wo Spanier 
und Niederländer um Sein oder Nichtsein des Protestantismus kämpften, 
dicht vor den Thoren Kölns, der Hochburg des römischen Wesens im 
Reiche. Der junge Staat umschloß auf seinen fünfzehnhundert Geviert- 
meilen bereits fast alle die kirchlichen, ständischen, landschaftlichen Gegen- 
sätze, welche das heilige Reich mit lautem Hader erfüllten: mit gespreizten
	        
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