Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Die Nationalrepräsentation. 379 
sich bald überzeugen, daß er die Ausgleichung der Grundsteuer gegen den 
zähen passiven Widerstand des Landadels für jetzt noch nicht durchsetzen 
könne. Der Eifer der Repräsentanten und ihrer Wähler erlahmte schnell; 
es kam so weit, daß die Stände Vorpommerns sich weigerten ihren Ver— 
tretern fernerhin Tagegelder zu zahlen. Von der Nation kaum noch be— 
merkt schleppte die Versammlung ihr unfruchtbares Dasein bis zum 15. Juli 
1815 dahin; ihr letztes Werk war die Verordnung über die Vergütung 
der Kriegsleistungen v. 1. März 1815. 
Je länger der Staatskanzler im Sattel saß, um so offenkundiger 
wurden seine bureaukratischen Neigungen. Ohne feste Grundsätze wie er 
in Verwaltungsfragen immer war, fand er den aufreibenden Kampf mit 
dem trotzigen Landadel bald unbequem und beschloß den festen Grund 
der ritterschaftlichen Macht, die Gutsherrschaft zu zerstören, aber nicht durch 
die Begründung einer gerechten Selbstverwaltung auf dem flachen Lande, 
sondern auf gut napoleonisch-westphälische Art durch die Verstärkung der 
Macht des Beamtenthums. Sein thätigster Mitarbeiter bei diesem Unter- 
nehmen war Scharnweber, ein strenger Bureaukrat, der Todfeind des 
märkischen Adels. Am 30. Juni 1812 erschien das Edict wegen Errich- 
tung der Gensdarmerie. Es war der schwerste Mißgriff der Hardenbergi- 
schen Verwaltung, ein vollständiger Abfall von den hochsinnigen Gedanken 
Stein's. Das althistorische, mit dem Leben dieses Staates fest verwachsene 
Landrathsamt wurde aufgehoben. An die Stelle des Landraths trat ein 
Kreisdirector, ein von der Krone nach freiem Ermessen ernannter, aus- 
kömmlich besoldeter Staatsbeamter, der seinen Sitz in der Kreisstadt an- 
gewiesen erhielt und lediglich ein Werkzeug der Staatsgewalt, nicht mehr, 
wie vormals der Landrath, zugleich ein Vertrauensmann der Kreisstände 
war. Unter ihm sollte ein Kreisbrigadier mit vier bis fünf Gensdarmerie- 
Offizieren die Polizeigewalt im Kreise handhaben und zugleich in den Ge- 
schäften des Kreisdirectoriums thätig sein, dergestalt daß diese Behörde 
einen rein bureaukratischen Charakter erhielt. Die Kreiskasse wurde zur 
Staatskasse; nur als ein geringfügiger Nebenfonds sollte noch eine Kreis- 
Communalkasse bestehen. Da der Schwerpunkt der Selbstverwaltung über- 
all im Finanzwesen liegt, so konnte demnach die aus zwei Abgeordneten 
der Ritterschaft, zwei städtischen und zwei bäuerlichen Deputirten gebildete 
Kreisversammlung, welche der Kreisdirector von Zeit zu Zeit einberief, 
nur wenig bedeuten. Die Rittergutsbesitzer verloren ihre Polizeigewalt, er- 
hielten nur das Recht der Aufsicht über die Ortspolizei der Dorfgerichte, 
wurden der Disciplinargewalt des Kreisdirectors unbedingt unterworfen. 
Hardenberg ging bei dem Gensdarmerie-Edicte von der berechtigten 
Absicht aus, die Ausführung des Staatswillens auf dem flachen Lande 
besser als bisher zu sichern und das Uebergewicht der Ritterschaft in der 
Kreisverwaltung, das „nach Einführung der Gewerbefreiheit und bei glei- 
chem Interesse aller Klassen“ keinen Sinn mehr habe, zu beseitigen. Doch
	        
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