Oesterreichs Haltung. 413
mit Oesterreich, den jene Zeit erhoffte, überhaupt lebensfähig, so konnte
er nur durch ein treues Einvernehmen der beiden führenden Staaten
und durch eine ehrliche Abgrenzung ihrer Machtgebiete erhalten werden.
Darum sind auch späterhin die Gedanken des friedlichen Dualismus am
Berliner Hofe immer von Neuem wieder aufgetaucht so lange man noch
nicht gänzlich an dem Deutschen Bunde verzweifelte. Der Staatskanzler
hatte diese Ideen während der letzten Jahre wiederholt seinem österreichi-
schen Freunde ausgesprochen und schloß aus einigen hingeworfenen
Worten halber Zustimmung leichtsinnig auf Metternich's volles Einver-
ständniß. Die vertrauten Hannoveraner Ompteda und Hardenberg wußten
jedoch sehr wohl, daß die Hofburg keineswegs gesonnen war ihrem Neben-
buhler die Hegemonie in Norddeutschland zuzugestehen.
Metternich erkannte, daß Oesterreich die durch eine ehrlose Politik
verscherzte Kaiserkrone nicht wieder erlangen durfte. Ein erbliches Kaiser-
thum der Lothringer hätte alle Mittelstaaten dem Hause Oesterreich ver-
feindet; eine Wahlkrone konnte, da die alten getreuen geistlichen Kur-
fürsten nicht mehr bestanden, vielleicht dereinst den Hohenzollern in die
Hände fallen. Es galt also, durch kluge Schonung der dynastischen
Interessen der Mittelstaaten den herrschenden Einfluß in Deutschland zu
gewinnen. Darum verzichtete Metternich nicht nur auf Belgien, das in
der Hofburg von jeher als ein sehr lästiges Besitzthum gegolten hatte,
sondern auch auf die Wiedererwerbung der vorderösterreichischen Lande.
Durch diesen vorgeschobenen Posten hatte das Kaiserhaus einst die süd-
deutschen Höfe beständig bedroht und die Geängsteten bald in Preußens
bald in Frankreichs Arme gescheucht. Als ein wohlwollender primus inter
pares wollte Oesterreich fortan, wohl abgerundet an der Adria, mit den
alten Feinden Baiern und Württemberg ehrlich Frieden halten und ihnen
vor Allem das köstlichste Gut, das sie der Gnade Napoleon's verdankten,
die Souveränität sicher stellen. Einige Andeutungen dieser politischen
Grundsätze gab Metternich schon in seinen Unterredungen mit Knesebeck;
noch bestimmter erklärte er etwas später in einer Depesche an Lebzeltern
(23. März), den Staaten des Rheinbundes müsse der Besitzstand, die
Souveränität und die Unabhängigkeit vollständig gewahrt bleiben.
Aus Alledem ergab sich mit Nothwendigkeit, daß Metternich die
augenblickliche Krisis benutzte, um „den großen Plan einer allgemeinen
Pacification“ zu verwirklichen, wie Gentz in einem vertrauten Briefe an
den Hospodar Karadja aussprach. Es gelang ihm während des Früh-
jahres, durch geheime Verhandlungen mit Rußland, das österreichische
Hilfscorps, das noch an der Seite der Franzosen in Polen stand, in
die Heimath zurückzuführen und sich von der französischen Allianz that-
sächlich loszusagen. So stand Oesterreich frei, in beherrschender Flanken-
stellung, den kriegführenden Mächten zur Seite und konnte hoffen durch
seine Vermittlung den Ausschlag zu geben. Während Metternich in