Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

476 J. 4. Der Befreiungskrieg. 
und Rußland aber mußten ihre gesammten Streitkräfte in den bedrohten 
Nordosten werfen und sich von Oesterreich trennen. Also wurde die Coa— 
lition gelockert, und vielleicht gelang es dann der diplomatischen Kunst 
Napoleon's, sie gänzlich zu zersprengen. Da er an den vollen Ernst der 
Hofburg auch jetzt noch nicht glaubte, so vermied er absichtlich einen Zug 
gegen Böhmen; Kaiser Franz durfte an der wohlwollenden Mäßigung 
des liebevollen Schwiegersohnes nicht zweifeln. Die Befürchtung, daß er 
umgangen und vom Rheine abgeschnitten werden könne, wies der Kriegs- 
erfahrene lachend zurück: „ein Heer von 400,000 Mann umgeht man 
nicht.“ Er wußte wohl, welchen Vortheil ihm die Einheit des Oberbefehls 
und die concentrirte Stellung seines Heeres boten, und zog was irgend 
verfügbar war nach Obersachsen heran. Nur das Corps Davoust's wurde 
aus politischen Gründen an der Niederelbe zurückgehalten, denn das feste 
Hamburg durfte um keinen Preis einer englischen Landungsarmee zum 
Brückenkopfe dienen. 
Während Oudinot den Marsch nach den Marken antrat, wendete 
sich Napoleon zunächst gegen die schlesische Armee, in der Hoffnung den 
thatenfrohen Blücher zu einer Schlacht zu verleiten. Der preußische 
Feldherr wich der Uebermacht aus und ging erst nach einigen Tagen 
wieder zum Angriff vor, als Napoleon mit einem Theile seines Heeres 
nach Dresden zurückeilte um die heranrückende böhmische Armee abzu- 
wehren. Macdonald, der in Schlesien zurückgeblieben, wähnte die Ver- 
bündeten noch im vollen Rückzuge und marschirte am 26. August, keiner 
Schlacht gewärtig, gegen Jauer; seine Truppen drängten die Vorhut der 
Preußen zurück, überschritten die vom Regen hoch angeschwellten Ge- 
wässer der Katzbach und der wüthenden Neiße, stiegen dann sorglos an 
den steilen Thalrändern empor auf die Hochebene, die sich über dem Zu- 
sammenfluß der beiden Gebirgsbäche erhebt. Droben aber stand ork, 
hinter sanften Anhöhen versteckt, mit dem Centrum des Blücher'schen 
Heeres; er ließ einen Theil der Feinde auf die Hochebene heraufkommen 
und brach alsdann urplötzlich mit zermalmendem Ungestüm aus dem 
Hinterhalte hervor, auf seinem rechten Flügel von Sacken's Russen kräftig 
unterstützt. Ein furchtbares Blutbad begann. Der überraschte Feind stand 
eingepreßt in dem Winkel zwischen den beiden Gebirgswassern; Kolben 
und Bajonett bildeten die einzigen Waffen des Fußvolks, da die Musketen 
im Regen versagten. Bei Anbruch der Nacht warf Katzeler's Reiterei die 
aufgelösten Trümmer des feindlichen Heeres in das Thal der wüthenden 
Neiße hinunter, Tausende fanden den Tod in den wilden Wogen. Nur 
die Saumseligkeit Langeron's, der mit seinem russischen Corps auf dem 
linken Flügel dem Kampfe fern blieb, rettete die Armee Macdonald's vor 
gänzlichem Untergange. Gneisenau aber gedachte jener Schreckensnacht nach 
der Schlacht von Jena und befahl die letzte Kraft von Roß und Mann an 
die Verfolgung zu setzen. Erschöpft von der Schlacht und den Hin= und
	        
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