Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Schlacht an der Katzbach. 477 
Hermärschen der jüngsten Tage lagerten die siegreichen Truppen während 
der Nacht auf dem aufgeweichten Boden ohne Feuer, hungernd und frierend, 
in abgerissenen dünnen Kleidern, die Meisten ohne Schuhe; ihrer Viele 
erlagen der übermenschlichen Anstrengung. Dann brach man auf, den 
Geschlagenen nach. Am 29. wurde die Division Puthod bei Plagwitz 
von den Nachsetzenden erreicht und völlig zersprengt noch bevor sie das 
Wildwasser des Bobers überschreiten konnte; auch die irische Legion, die 
unter französischem Banner gegen den englischen Todfeind focht, fand 
ihr Grab in den Wellen des deutschen Flusses. So hielt die wilde Jagd 
noch Tagelang an, immer bei strömendem Regen, verlustreich für die 
Sieger, verderblich für die Fliehenden, bis endlich am 1. September 
Blücher seinem Heere triumphirend verkünden konnte, das gesammte 
schlesische Land sei vom Feinde gesäubert. 
Die Schlacht an der Katzbach war der erste wahrhaft fruchtbare Sieg 
dieses Feldzugs. Sie befreite Schlesien, sie hob die Zuversicht im Heere 
der Verbündeten und brachte dem Werke Scharnhorst's eine glänzende 
Rechtfertigung, da die neue Landwehr sich den besten Linientruppen eben- 
bürtig zeigte; sie erweckte was jedem nationalen Kriege unentbehrlich ist, 
die Freude an einem volksthümlichen Helden, zu dem der kleine Mann 
bewundernd aufschauen konnte. Der Name Blücher's war in Aller Munde. 
Wer den Dingen näher stand wußte freilich, daß die Kriegspläne des 
alten Helden aus Gneisenau's Kopfe stammten. So war der königliche Mann 
nun doch der Marschall von Schlesien geworden, wie ihm Clausewitz geweis- 
sagt. Er hatte einst in unheilvollen Tagen auf den Wällen Kolbergs die ge- 
schändeten preußischen Fahnen zuerst wieder zu Ehren gebracht. Jetzt wußte 
er die schlesische Armee so ganz zu durchdringen mit der feurigen That- 
kraft seines heldenhaften Geistes, daß dies kleinste Heer der Coalition bald 
der Schwerpunkt ihrer Streitkräfte wurde; denn das stand ihm außer 
Zweifel, daß ein Muthiger Muthige schaffen könne. Bald hatte sich zwi- 
schen ihm und Blücher jenes menschlich schöne Verhältniß unverbrüchlichen 
Vertrauens gebildet, das für Deutschlands Geschicke ebenso segensreich 
werden sollte wie vormals die Freundschaft von Luther und Melanchthon, 
von Schiller und Goethe. Willig ging der Alte auf die Ideen seines 
Generalquartiermeisters ein und fand sich darin zurecht als wären sie sein 
eignes Werk. Der Jüngere aber wahrte mit feinem Takte das Ansehen 
des Commandirenden, befahl immer nur in Blücher's Namen, hielt sich 
so bescheiden zurück, daß seine Frau selber lange nichts von der eigent- 
lichen Wirksamkeit ihres Gatten erfuhr, und ertrug es ohne Murren, daß 
er der Mannschaft fast ebenso unbekannt blieb wie einst P. von Westphalen 
den Soldaten Ferdinand's von Braunschweig. Beim Ausbruch des Krieges 
hatte er nur die Karten von Westdeutschland und Frankreich mit in's Feld- 
lager genommen — so bestimmt rechnete er auf einen raschen Siegeszug; 
nun warf ihn das Geschick wieder in diese Ostmark Deutschlands, wo er
	        
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