Schlacht an der Katzbach. 477
Hermärschen der jüngsten Tage lagerten die siegreichen Truppen während
der Nacht auf dem aufgeweichten Boden ohne Feuer, hungernd und frierend,
in abgerissenen dünnen Kleidern, die Meisten ohne Schuhe; ihrer Viele
erlagen der übermenschlichen Anstrengung. Dann brach man auf, den
Geschlagenen nach. Am 29. wurde die Division Puthod bei Plagwitz
von den Nachsetzenden erreicht und völlig zersprengt noch bevor sie das
Wildwasser des Bobers überschreiten konnte; auch die irische Legion, die
unter französischem Banner gegen den englischen Todfeind focht, fand
ihr Grab in den Wellen des deutschen Flusses. So hielt die wilde Jagd
noch Tagelang an, immer bei strömendem Regen, verlustreich für die
Sieger, verderblich für die Fliehenden, bis endlich am 1. September
Blücher seinem Heere triumphirend verkünden konnte, das gesammte
schlesische Land sei vom Feinde gesäubert.
Die Schlacht an der Katzbach war der erste wahrhaft fruchtbare Sieg
dieses Feldzugs. Sie befreite Schlesien, sie hob die Zuversicht im Heere
der Verbündeten und brachte dem Werke Scharnhorst's eine glänzende
Rechtfertigung, da die neue Landwehr sich den besten Linientruppen eben-
bürtig zeigte; sie erweckte was jedem nationalen Kriege unentbehrlich ist,
die Freude an einem volksthümlichen Helden, zu dem der kleine Mann
bewundernd aufschauen konnte. Der Name Blücher's war in Aller Munde.
Wer den Dingen näher stand wußte freilich, daß die Kriegspläne des
alten Helden aus Gneisenau's Kopfe stammten. So war der königliche Mann
nun doch der Marschall von Schlesien geworden, wie ihm Clausewitz geweis-
sagt. Er hatte einst in unheilvollen Tagen auf den Wällen Kolbergs die ge-
schändeten preußischen Fahnen zuerst wieder zu Ehren gebracht. Jetzt wußte
er die schlesische Armee so ganz zu durchdringen mit der feurigen That-
kraft seines heldenhaften Geistes, daß dies kleinste Heer der Coalition bald
der Schwerpunkt ihrer Streitkräfte wurde; denn das stand ihm außer
Zweifel, daß ein Muthiger Muthige schaffen könne. Bald hatte sich zwi-
schen ihm und Blücher jenes menschlich schöne Verhältniß unverbrüchlichen
Vertrauens gebildet, das für Deutschlands Geschicke ebenso segensreich
werden sollte wie vormals die Freundschaft von Luther und Melanchthon,
von Schiller und Goethe. Willig ging der Alte auf die Ideen seines
Generalquartiermeisters ein und fand sich darin zurecht als wären sie sein
eignes Werk. Der Jüngere aber wahrte mit feinem Takte das Ansehen
des Commandirenden, befahl immer nur in Blücher's Namen, hielt sich
so bescheiden zurück, daß seine Frau selber lange nichts von der eigent-
lichen Wirksamkeit ihres Gatten erfuhr, und ertrug es ohne Murren, daß
er der Mannschaft fast ebenso unbekannt blieb wie einst P. von Westphalen
den Soldaten Ferdinand's von Braunschweig. Beim Ausbruch des Krieges
hatte er nur die Karten von Westdeutschland und Frankreich mit in's Feld-
lager genommen — so bestimmt rechnete er auf einen raschen Siegeszug;
nun warf ihn das Geschick wieder in diese Ostmark Deutschlands, wo er