Das schlesische Heer. 479
spürten etwas von der eigenthümlichen Siegesfreudigkeit, die von Blücher's
Hauptquartier ausstrahlte. Einige ihrer Führer, wie Sacken und der toll—
kühne Reitergeneral Wassiltschikow lebten mit den Preußen in vertrau—
licher Kameradschaft; die Kosaken begrüßten den greisen Feldherrn mit
endlosen Hurrahrufen wo er sich zeigte und erzählten einander, der Alte
sei eigentlich ein Kosakenkind, am blauen Don geboren.
Einem jungen Deutschen mochte wohl das Herz aufgehen in dem
Heldenkreise, der sich um Blücher versammelte. Da standen neben York
die Brigadeführer Steinmetz, jener Horn, dem die Franzosen vor'm Jahre
den Namen des preußischen Bayard gegeben hatten, und der Bruder der
Königin Luise, Karl von Mecklenburg; die verwegenen Reiterführer Jür—
gaß und Sohr, der Liebling Blücher's Katzeler und der tolle Platen mit
seiner ewig brennenden Pfeife; unter den Jüngeren Schack und Graf
Brandenburg, der Minister von 1848, jene Beiden, die sich York gern
als Preußens künftige Feldherren dachte; neben Gneisenau der schwunglos
nüchterne Müffling, der Einzige fast, der zu dem jugendlichen Tone dieses
Kreises nicht paßte, dann Rühle von Lilienstern, der Freund von Heinrich
Kleist, ein hochgebildeter, geistvoller Offizier, der immer zur Hand sein
mußte wenn es galt durch persönliche Ueberredung auf die beiden anderen
Hauptquartiere einzuwirken, dann Major Oppen, der spanische Held, dann
Fehrentheil, der nachher in der demagogischen Phantasterei des Teutonen—
thums unterging, während der junge Gerlach späterhin ein Führer der
Hochconservativen wurde; dazu die Schriftgelehrten, wie Blücher sie
spottend nannte: der liebenswürdige, fromme Naturforscher Karl von
Raumer, der philosophische Schwärmer Steffens, endlich Eichhorn, der
die Erinnerungen dieser reichen Monate wie ein heiliges Vermächtniß im
Herzen bewahrte und nachher durch den Ausbau des Zollvereins das
Werk des Befreiungskrieges zu vollenden strebte. Es war wie ein Mikro—
kosmos des neuen Deutschlands: fast alle die Parteien der Politik und
Literatur, welche in den folgenden Jahrzehnten das deutsche Leben erfüllten,
fanden hier ihre Vertreter. Keine Spur mehr von dem rohen Bildungs—
hasse der alten Armee; an müßigen Abenden lasen die Offiziere zuweilen
Shakespeare'sche Dramen mit vertheilten Rollen, oder Oppen spielte deutsche
und spanische Lieder auf seiner Cither. Mit rücksichtsloser Offenheit sagte
Jeder seine Meinung gerade heraus wie Blücher selber; nirgends wurde
die Felonie der deutschen Fürsten schärfer verurtheilt, die Vernichtung der
rheinbündischen Souveränität und die Verstärkung der preußischen Macht
stürmischer gefordert als in der Umgebung des preußischen Feldherrn.
„Geht es nach mir,“ sagte General Hünerbein zu dem Kurprinzen von
Hessen, „so bekommt Ihr Vater nicht soviel Land zurück als ich Schmutz
unter meinen Nägeln habel!“
Welch ein Gegensatz zu dem Hauptquartiere Napoleon's! Wie war
es doch so unheimlich still geworden um den neuen Caesar seit das Glück