Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

506 J. 4. Der Befreiungskrieg. 
angelangt war, zur thätigen Theilnahme beredet wurde; um den Bedacht— 
samen nur in den Kampf hineinzureißen hatte Blücher seiner eigenen That— 
kraft das schwerste Opfer zugemuthet, 30,000 Mann seines Heeres an die 
Nordarmee abgetreten und damit selber auf den Ruhm eines neuen Sieges 
verzichtet. Einmal entschlossen zeigte Bernadotte die Umsicht des bewährten 
Feldherrn. Während Langeron's Russen auf der äußersten Rechten der 
Angriffslinie durch wiederholten Sturm den Feind aus Schönefeld zu 
verdrängen suchten, traf die Hauptmasse der Nordarmee am Nachmittag 
auf der Ostseite von Leipzig ein. Bülow führte das Vordertreffen und 
schlug das Corps Reynier's aus Paunsdorf hinaus. 
So stießen die alten Feinde von Großbeeren abermals auf einander, 
doch wie war seitdem die Stimmung in den sächsischen Regimentern um— 
geschlagen! Wunderbar lange hatte die ungeheure Macht des deutschen 
Fahneneides die Truppen des Rheinbundes bei ihrer Soldatenpflicht fest— 
gehalten; außer einigen vereinzelten Bataillonen waren bisher nur zwei 
westphälische Reiterregimenter zu den Verbündeten übergegangen. Mit 
dem Glücke schwand auch das Selbstgefühl der napoleonischen Lands— 
knechte; sie begannen sich des Krieges gegen Deutschland zu schämen, sie 
empfanden nach was ihr Landsmann Rückert ihnen zurief: 
Ein Adler kann vielleicht noch Ruhm erfechten, 
Doch sicher Ihr, sein Raubgefolg, Ihr Raben 
Erfechtet Schmach bei kommenden Geschlechten! 
Die Sachsen fühlten sich zudem in ihrer militärischen Ehre gekränkt durch 
die Lügen der napoleonischen Bulletins; sie sahen mit Unmuth wie ihre 
Heimath ausgeplündert, ihr König von Ort zu Ort hinter dem Protector 
her geschleppt wurde; und sollten sie mit nach Frankreich entweichen, wenn 
Napoleon die Schlacht verlor und Sachsen ganz in die Gewalt der Ver- 
bündeten siel? Selbst die Franzosen empfanden Mitleid mit der unnatür- 
lichen Lage dieser Bundesgenossen; Reynier hatte bereits den Abmarsch der 
Sachsen nach Torgau angeordnet, als das Anrücken der Nordarmee die 
Ausführung des wohlgemeinten Befehls verhinderte. Nur König Friedrich 
August zeigte kein Verständniß für die Bedrängniß seiner Armee noch für 
seine eigene Schande. Unwandelbar blieb sein Vertrauen auf den Glücks- 
stern des Großen Alliirten; noch während der Schlacht verwies er seine 
Generale trocken auf ihre Soldatenpflicht als sie ihn baten die Trennung 
des Contingents von dem französischen Heere zu gestatten. Die deutsche 
Gutmüthigkeit wollte dem angestammten Herrn so viel Verblendung nicht 
zutrauen. Die Offiziere glaubten fest, ihr König sei unfrei; keineswegs 
in der Meinung ihren Fahneneid zu brechen, sondern in der Absicht das 
kleine Heer dem Landesherrn zu erhalten beschlossen sie das Aergste was 
der Soldat verschulden kann, den Uebergang in offener Feldschlacht. In 
der Gegend von Paunsdorf und Sellerhausen schlossen sich etwa 3000 
Mann der sächsischen Truppen an die Nordarmee an; mit ihnen eine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.