Stimmung in Süddeutschland. 523
Staatszeitung statt des gewohnten „Seine Majestät der Kaiser“ erst „Na—
poleon“ und endlich „der Feind“ schrieb; als der Uebertritt unvermeidlich
wurde, sprach Großherzog Karl dem Protector noch sein lebhaftes Be—
dauern aus. Napoleon aber verstand seine Leute zu behandeln, er schwor
im Falle der Rückkehr ihre Länder zu verwüsten, wie einst Ludwig XIV.
die Pfalz. Mit geballter Faust und einem grimmigen: „Du sollst mir's
bezahlen, mein Fürst!“ schied sein Gesandter Vendeuil von dem Groß-
herzog Ludwig von Darmstadt, als dieser das Bündniß aufkündigte.
Die Drohungen des Imperators verfehlten ihren Zweck nicht, sie
lähmten die Thatkraft auch der besser gesinnten Rheinbundsfürsten. Eine
Volksbewaffnung nach preußischer Weise war in der Mehrzahl dieser
Länder ohnehin unmöglich, da die Gewalthaber ihrem eigenen Volke nicht
trauten. In Baiern wurden die Freiwilligen von den Behörden mit Hohn
heimgeschickt. In Württemberg wollte der König weder Freiwillige noch
eine Landwehr dulden; die Bildung des Landsturms benutzte er nur als
einen willkommenen Vorwand um seine Unterthanen zu entwaffnen und
bei Zuchthausstrafe die Einlieferung aller Gewehre anzubefehlen. Nie-
mand war bei diesen Höfen schlimmer verrufen als Stein; wußten sie
doch, daß der Freiherr in Frankfurt soeben beantragt hatte, ihre Regie-
rungsgewalt vorläufig zu suspendiren. Auch die trefflichen Männer, die
er in seiner deutschen Centralverwaltung anstellte, hießen bald allesammt
moskowitische Jacobiner: die Preußen Friesen und Eichhorn, der Russe Tur-
geniew, der Leiter des Hospitalwesens Graf Solms-Laubach, der Orga-
nisator der Volksbewaffnung Rühle von Lilienstern. Tagaus tagein ver-
suchten der particularistische Dünkel und die Niedertracht der süddeutschen
Cabinette die Wirksamkeit der Centralverwaltung zu durchkreuzen, Mont-
gelas bedrohte Stein's Beamte mit Ausweisung, als sie sich von dem
Zustande der bairischen Lazarethe überzeugen wollten. Friedrich von Würt-
temberg weigerte sich „ausländische“ Verwundete in seine Hospitäler aufzu-
nehmen; als die Oesterreicher ihre Kranken aus dem überfüllten Villingen
nach Rottweil hinüberbrachten, ließen die württembergischen Behörden die Jam-
mernden auf der Straße liegen, bis man mit Gewalt die Thüren des
Krankenhauses öffnete. So erprobte sich die bundesfreundliche Gesinnung jener
Höfe, denen Oesterreich bedingungslos die Souveränität zurückgab. Stein
selber meinte jetzt traurig, man thue besser, die Verhandlungen über
Deutschlands Verfassung bis zum Frieden zu vertagen, sonst könne die
lockere Coalition sich leicht ganz auflösen. Um aber die Nation über die
Denkweise ihrer Gewalthaber zu belehren, ließ er seinen treuen Eichhorn
eine Schrift über die Centralverwaltung veröffentlichen, welche ohne Um-
schweifse die Sünden der Kleinkönige aufdeckte. Seitdem kannte der Haß der
rheinbündischen Höfe gegen das preußische Deutschthum keine Grenzen mehr.
Auch das Volk des Südens wurde von dem Sturme der Begeiste-
rung, der über Norddeutschland dahinbrauste, nur obenhin berührt, obgleich