Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

564 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
der deutschen Grenze zu verstärken. Die Eidgenossenschaft erhielt das Bis- 
thum Basel, und Metternich erklärte sich auch bereit ihr das alltöster- 
reichische Frickthal mit Rheinfelden und Laufenburg zu lassen. 
Tag für Tag hatten die preußischen Staatsmänner mit der uner- 
schöpflichen Freigebigkeit ihrer Verbündeten zu kämpfen, bis Humboldt sich 
endlich von Metternich und Nesselrode das Wort darauf geben ließ, daß 
es nun genug sei und kein Zollbreit deutschen Bodens mehr abgetreten 
werden solle.) Talleyrand aber durfte mit Befriedigung sein Werk be- 
trachten: Frankreich blieb nach einem viertelhundertjährigen Kriege, den 
allein sein Hochmuth über die Welt verhängt, um hundert Geviertmeilen 
und mehr als eine Million Einwohner stärker denn zuvor. 
Im Rausche seiner Großmuth wollte der Czar, allem völkerrechtlichen 
Brauche zuwider, dem Besiegten die Bezahlung der Kriegskosten erlassen; 
er fand es unedel, diesem wohlhabenden, durch die Ausplünderung aller 
Länder bereicherten Frankreich einen bescheidenen Theil des ruchlosen 
Raubes wieder abzunehmen. Da auch Oesterreich und England dieser 
eigenthümlichen Ansicht beistimmten, so mußten die Preußen nach lebhaf- 
tem Widerstreben sich fügen und verzichteten auf jede Vergeltung für die 
unerschwingliche Tilsiter Contribution. Es war, als wollte man die 
Franzosen absichtlich bestärken in dem übermüthigen Wahne, daß für sie 
allein das Völkerrecht nicht vorhanden sei. Außerdem hatte Preußen noch 
die Rückerstattung der von ihm an Frankreich bezahlten Vorschüsse zu 
fordern. Das Finanzministerium berechnete, sehr niedrig: 136 Millionen 
für den Durchmarsch der großen Armee nach Rußland, ferner 10,7 Millio- 
nen für die vertragswidrig erpreßten Leistungen und Lieferungen aus den 
Jahren 1808—12, endlich über 23 Millionen rückständige Zahlungen an 
das Königreich Sachsen und die Stadt Danzig, die man beide schon als 
preußische Gebiete ansah, zusammen 169,8 Millionen Fr. Die Zahlung 
dieser Summe war eine Lebensfrage für die preußischen Finanzen; der 
ungleiche Kampf hatte den Staatshaushalt dermaßen erschöpft, daß Harden- 
berg eben jetzt bei Lord Castlereagh dringend um ein sofortiges baares Dar- 
lehn von — 100,000 Pfd. St. bitten mußte! Alle jene Millionen waren 
für den Unterhalt der französischen Armee verwendet worden, an der Recht- 
mäßigkeit der Schuldforderung bestand gar kein Zweifel. Hardenberg hielt 
die Berichtigung der Schuld jetzt um so mehr für unausbleiblich, da ja 
im letzten Frühjahr die vertragswidrige Verweigerung der Zahlung der un- 
anfechtbare Rechtsgrund für Preußens Kriegserklärung gewesen war. Dar- 
um hatte er auch versäumt, während des Krieges eine Bürgschaft der Alli- 
irten für seine Ansprüche zu verlangen. 
Es war eine folgenschwere Unterlassungssünde, freilich ein Fehler, 
den auch wohl ein minder vertrauensvoller Staatsmann als Hardenberg. 
— — 
*) Humboldt an Hardenberg, 20. Mai 1814.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.