Hardenberg gegen Rußland. 585
den Lothringern und den Albertinern, noch von Oesterreichs Absichten
auf Bologna und Ferrara. «
Ebenso schlecht unterrichtet zeigt er sich in der Mainzer Sache. Er
befürchtet zwar, diese Frage werde schwere Verwicklungen herbeiführen, da
Baiern die rheinische Festung stürmisch für sich fordere; aber auf Oester—
reich meint er sich stützen zu können. Hatte er doch soeben bei den k. k.
Staatsmännern zu seiner Beruhigung eine Karte von Deutschland, „wahr—
scheinlich nach Stadion's Entwürfen,“ gesehen, worauf Mainz als preußische
Stadt verzeichnet war! In der deutschen Verfassungsfrage endlich will
Metternich „noch mehr als in jeder anderen Angelegenheit sich auf Harden—
berg verlassen, dem er unbegrenztes Vertrauen schenkt.“ — Wahrlich, es
war kaum möglich die Absichten der Hofburg gröblicher mißzuverstehen.
Die Denkschrift mußte, trotz einzelner Bedenken, dem Staatskanzler um
so zuverlässiger erscheinen, da sie seiner eigenen vorgefaßten Meinung
entsprach. Er schenkte der Aussage seines Gegners diesmal ausnahms-
weise Glauben, obgleich die verdächtigsten Anzeichen für Oesterreichs säch-
sische Pläne vorlagen, obgleich Goltz aus Paris berichtete, aus den Aeuße-
rungen des k. k. Gesandten Grafen Bombelles gehe hervor, daß Metter-
nich die Wiederherstellung der Albertiner wünsche,') und nahm den Bericht
Humboldt's zur Grundlage für seinen diplomatischen Feldzugsplan.
Darauf schickte Hardenberg dem Geschäftsträger in Petersburg,
Oberst von Schöler, ein ostensibles Ministerialschreiben und einen Brief
des Königs an den Czaren.““") Der König, dem ersichtlich bei dem Handel
nicht wohl zu Muthe war, begnügte sich seinen kaiserlichen Freund mit
warmen Worten um Mäßigung zu bitten. Das Ministerialschreiben,
offenbar durch Humboldt's Bericht veranlaßt, sprach die Hoffnung aus, der
Kaiser werde von seinen polnischen Plänen abstehen. „Seine Absichten
sind rein, groß, hochherzig, aber offen gestanden, ich glaube, daß er sich
irrt.“ Die Polen verlangen unbelehrbar die Grenzen von 1772 zurück,
darum darf nicht eine Wiederherstellung Polens unter russischer Führung
erfolgen, sondern nur eine neue Theilung des Landes; Rußland mag den
größten Theil von Polen seinem Reiche einverleiben, nur nicht Kalisch,
Czenstochau, Thorn und Krakau. Preußen fordert sodann, daß ihm die
Verwaltung von Sachsen baldigst übergeben werde, und verlangt freie
Hand für zeitgemäße Reformen in Sachsen, da die Aufrechterhaltung der
alten unbrauchbaren Gesetze „nur den Oligarchen willkommen ist“.
Oberst Schöler war ein literarischer Dilettant, wie es ihrer viele
gab unter den Offizieren jenes ästhetischen Zeitalters, fein gebildet, wohl-
meinend, von angenehmen Formen. Empfänglich für die liberalen Ideen,
hatte er einst die Reformen Stein's und Schön's in einem begeisterten
*) Goltz's Bericht, 31. August 1814.
**) Hardenberg an Schöler, 26. August 1814.