Die beiden ersten schlesischen Kriege. 55
Friedrich war der Erste, der ernstlich ihn zu vernichten versuchte. So—
bald die Verständigung mit dem Wiener Hofe sich als unmöglich erwies,
faßte der König den kühnen Gedanken, die Kaiserkrone für immer dem
Hause Oesterreich zu entwinden und also das letzte Band zu zerreißen,
das diese Dynastie noch an Deutschland kettete. Er näherte sich den
bairischen Wittelsbachern, dem einzigen unter den mächtigeren deutschen
Fürstengeschlechtern, das gleich den Hohenzollern nur deutsche Lande be—
herrschte und gleich ihnen in Oesterreich seinen natürlichen Gegner sah;
er begründete zuerst jenes Bündniß zwischen den beiden größten rein
deutschen Staaten, das sich seitdem so oft, und immer zum Heile für
das Vaterland erneuert hat. Der Kurfürst von Baiern empfing die
kaiserliche Würde, und Friedrich hoffte diesem neuen Kaiserthume, das
er selber „mein Werk“ nannte, an der Krone Böhmen einen festen Rück—
halt zu sichern.
Und alsbald erwachte in Berlin wie in München wieder jener rettende
Gedanke der Secularisation, der sich allezeit unabwendbar aufdrängte
sobald man die heilende Hand legte an den siechen Körper des Reichs.
Es war im Werke, die Macht der größeren weltlichen Reichsstände, welche
Friedrich als die allein lebensfähigen Glieder des Reichs erkannte, auf
Kosten der theokratischen und republikanischen Territorien zu verstärken;
eine rein weltliche Staatskunst schickte sich an die politischen Ideen der
Reformation zu verwirklichen. Einige geistliche Gebiete Oberdeutschlands
sollten secularisirt, auch mehrere Reichsstädte den benachbarten fürstlichen
Gebieten zugeschlagen werden. Mit gutem Grunde klagte Oesterreich,
wie schwer dies von Preußen geleitete bairische Kaiserthum den Adel und
die Kirche zu schädigen drohe. Traten jene unfertigen Gedanken in's
Leben, so war der deutsche Dualismus nahezu beseitigt, die Reichs-
verfassung, selbst wenn ihre Formen blieben, in ihrem Wesen umgestaltet;
Deutschland wurde ein Bund weltlicher Fürsten unter Preußens beherr-
schendem Einfluß; die geistlichen Staaten, die Reichsstädte, der Schwarm
der kleinen Grafen und Herren, des habsburgischen Rückhalts beraubt,
verfielen dem Untergange, und das Trutzdeutschland im Herzen des
Reichs, die Krone Böhmen, ward für die germanische Gesittung erobert.
So konnte Deutschland aus eigener Kraft jene nothwendige Revolution
vollziehen, die ihm zwei Menschenalter später der Machtspruch des Aus-
landes schimpflich auferlegt hat. Aber das Haus Wittelsbach, ohnehin
dem deutschen Leben entfremdet durch die erbliche Verbindung mit Frank-
reich wie durch die Härte katholischer Glaubenseinheit, erwies in großer
Zeit eine klägliche Unfähigkeit; der Nation fehlte jedes Verständniß für
die verheißungsvolle Gunst des Augenblicks. Auf einer Rundreise durch
das Reich gewann der König einen so trostlosen Einblick in die Zwie-
tracht, die Habgier, die sklavische Angst der kleinen Höfe, daß er für
immer seine deutschen Hoffnungen herabzustimmen lernte; auch seine