Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

658 II. 1. Der Wiener Congreß. 
Preußen, Rußland und Nordamerika. Preußen lernte endlich, wessen 
man sich von Oesterreich selbst unter dem Segen des friedlichen Dualismus 
zu versehen habe. Hardenberg freilich hat die „unglückliche Uebereilung“ 
seiner österreichischen Freunde nur zu bald großmüthig vergessen; doch 
unter den jüngeren, kräftigeren Männern der Regierungskreise blieb die 
Erinnerung an jenen Treubruch lange lebendig. Die alten glorreichen 
fridericianischen Ueberlieferungen fanden wieder muthige Bekenner; und 
jener Staatsmann, der nachher in langen stillen Friedensjahren die Politik 
des großen Königs behutsam weiter führen sollte, der Hauptbegründer des 
Zollvereins, Eichhorn, hatte an den sächsischen Händeln mit seiner scharfen 
Feder theilgenommen und sich sein Urtheil über Oesterreich aus den Er- 
fahrungen des Wiener Congresses gebildet. 
Es giebt aber ein letztes Maß des Unsinns, das in einer geordneten 
Staatengesellschaft auf die Dauer nicht überschritten werden kann. Kaum 
war der Vertrag unterzeichnet, so fragte sich Lord Castlereagh, wie er mit 
einer so ganz unenglischen Politik vor dem Parlamente bestehen sollte. 
Hatte England darum ein Vierteljahrhundert hindurch gegen Frankreichs 
Uebermacht gekämpft, damit jetzt 150,000 napoleonische Veteranen unter 
dem Lilienbanner wieder den Rhein überschritten? Man kannte in Wien, 
trotz aller Ableugnungen Talleyrand's, die bonapartistische Gesinnung des 
französischen Heeres. Und sollte der kaum erst blutig erkämpfte Friede 
wieder gestört werden — einem napoleonischen Satrapen zu Lieb'? Die 
verbrecherische Thorheit eines solchen Unterfangens begann dem Briten 
doch einzuleuchten; auch Metternich ward besorgt über den lauten Jubel 
der Franzosen und der Rheinbündler. Während der folgenden Wochen 
schlossen sich noch Sardinien, Baiern, Hannover, Darmstadt dem Bündniß 
vom 3. Januar an, ja die Schwerfälligkeit der Oranischen Regierung 
hatte sogar den tragikomischen Erfolg, daß die Niederlande erst im April 
dem Kriegsbunde gegen Preußen förmlich beitraten — in einem Augen- 
blicke, da die Welt durch Napoleon's Rückkehr längst wieder verwandelt 
war und Preußens Heer bereits heranzog die Niederlande gegen Frank- 
reich zu vertheidigen. Doch das Bündniß war todt geboren, eine wirkliche 
Kriegsgefahr bestand nur etwa sechs Tage lang. 
Schon in der Sitzung vom 9. Januar thaten Oesterreich und Eng- 
land, auf Castlereagh's Andringen, einen ersten Schritt zur Versöhnung. 
Sie gaben die feierliche Erklärung ab, daß die Verhandlungen über 
Sachsen lediglich den Zweck hätten dem preußischen Staate die ver- 
tragsmäßige Entschädigung zu verschaffen, und darum die Entscheidung 
in keiner Weise von der Zustimmung Friedrich August's abhängig sei. 
Nur unter dieser Bedingung genehmigten Preußen und Rußland den 
jetzt unvermeidlichen Eintritt des französischen Ministers. Am 12. Ja- 
nuar trat Talleyrand in den Rath der Großmächte ein. Das Comité 
der Vier erweiterte sich zum Fünfer-Ausschuß, und diese Fünf bildeten
	        
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