Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Abschluß mit den Niederlanden. 671 
unter preußischen Fahnen; noch im Juli 1815 ging eine Deputation der 
Stände nach Paris, ihre Mitglieder im Verein mit den Landwehrmän— 
nern beschworen den König die Provinz nicht zu verstoßen. Der Wider— 
wille gegen das adeliche Hannoverland war so allgemein in diesem Lande 
des Handels und der Bauernfreiheit, daß man die Abtretung erst zu 
Ende des Jahres 1815 zu vollziehen wagte. Auch dann währte die alte 
Treue fort; wie lange noch haben die ostfriesischen Studenten in Göttingen 
die schwarzweiße Kokarde an der Mütze getragen, und wenn sie beim Lan- 
desvater das „Friedrich Wilhelm lebe hoch“ sangen, dann liefen den ehr- 
lichen Jungen die hellen Thränen über die Backen. Bis zum Tode des 
Königs hat Ostfriesland „seinen alten herrlichen Festtag“ gefeiert; noch 
am 3. August 1839 sahen die Badegäste auf Norderney mit Erstaunen, 
wie auf jedem Fischerhause der Insel eine preußische Flagge wehte. 
Hatte der Staatskanzler in diesen Verhandlungen, freilich nur durch 
ein schweres Opfer, das Interesse des Staates klug gewahrt, so mußte er 
dagegen bei den Unterhandlungen mit den Niederlanden die Folgen seiner 
früheren Uebereilungen tragen. Alle jene verschwenderischen Zusagen, die 
man während des Winterfeldzuges dem Schooßkinde der englischen Politik 
gegeben, ließen sich nicht mehr zurücknehmen; auch gelangte Hardenberg 
selbst in Wien noch nicht zu der Einsicht, daß dies durch Preußens Waf- 
fen wieder eingesetzte Oranische Haus eine entschieden feindselige Gesin- 
nung gegen Deutschland hegte. Er betrachtete die Niederlande noch immer 
als eine feste Vormauer Deutschlands und begrüßte es mit Freuden, daß 
mindestens Luxemburg dem Deutschen Bunde beitrat. War doch dies 
Ländchen damals noch kriegerisch und entschieden franzosenfeindlich gesinnt; 
die Erinnerung an die k. k. Latour-Dragoner und die Jäger von Le Loup 
lebte noch im Volke. Die preußischen Diplomaten trugen dem oranischen 
Unterhändler seinen in den sächsischen Händeln bewährten legitimistischen 
Feuereifer nicht nach, sondern bewiesen, zu Gagern's eigenem Erstaunen, 
eine „ungemeine Nachgiebigkeit". 
Von Jülich und anderen Pariser Verheißungen war freilich nicht mehr 
die Rede; jedoch Preußen erklärte sich bereit, einen Theil von Geldern, die 
Umgebung des festen Venloo abzutreten, und erprobte dabei nochmals die 
gehässige Gesinnung der englischen Staatsmänner. Gagern verlangte „la 
Tlisiere de la Meuse“: preußisch Geldern sollte von seinem natürlichen 
Wasserwege, der Maas, abgesperrt, die Grenze überall mindestens eine 
Stunde östlich von dem Flusse gezogen werden. Er berief sich auf den Her- 
zog von Wellington, der, noch ganz befangen in den altväterischen Gleich- 
gewichtslehren des alten Jahrhunderts und voll Mißtrauens gegen den 
unruhigen preußischen Ehrgeiz, in einem militärischen Gutachten die un- 
geheuerliche Behauptung aufgestellt hatte, ohne diese Lisière würden die 
Niederlande durch Preußen erdrückt werden. In der gutmüthigen Hoffnung 
an den Oraniern für alle Zukunft dankbare Bundesgenossen zu haben, war
	        
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