Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Wellington's Versprechen. 743 
Wellington hatte das Unmögliche versprochen, sicherlich nur aus Irrthum, 
in gutem Glauben; aber was verschlug es ihm auch, wenn er sein Wort 
nicht halten konnte und die Bundesgenossen durch seine Schuld eine 
Schlappe erlitten? Es waren ja doch nur Deutsche, und auf die fremden 
Nationen, mit denen ihn sein Kriegerleben zusammenführte, hatte er nie— 
mals Rücksicht genommen, mochten sie nun Hindus, Portugiesen oder 
Preußen heißen. Seine nächste Aufgabe war, das englische Heer zu er— 
halten — so faßte er seine Pflichten auf; und wenn die Bundesgenossen 
den Hauptstoß der Feinde aufnahmen, so gewann er um so sicherer Zeit 
seine eigenen Truppen zu vereinigen. Der Herzog allein verschuldete — 
erst durch die verspätete und verfehlte Versammlung seiner Streitkräfte, 
dann durch eine unhaltbare Zusage — daß, statt einer Schlacht mit 
vereinten Kräften, zwei Schlachten zu gleicher Zeit und nur durch den 
Zwischenraum einer guten Meile getrennt, beide unter sehr ungünstigen 
Verhältnissen geschlagen werden mußten.“) 
Der Imperator blieb noch am Vormittag des 16. in dem Wahne, 
daß die beiden Heere der Coalition sich nach Brüssel und Namur zurück- 
zögen, er gönnte daher seinen durch das gestrige Gefecht und die starken 
Märsche der letzten Tage ermüdeten Truppen eine sehr lange Rast. Erst 
um Mittag überzeugte er sich, daß die Preußen in der Position von Ligny 
und St. Amand la Haye Stand hielten und beschloß den Angriff mit 
der Hauptmasse seines Heeres, dem rechten Flügel und den Reserven. 
Ney aber, der mit dem linken Flügel bei Frasnes auf der Brüsseler 
Straße stand, erhielt Befehl rechts abzumarschiren und den Preußen in die 
rechte Flanke zu fallen; so konnte am Abend des langen Sommertages 
das Heer Blücher's vernichtet werden. Dieser Schlachtplan setzte freilich 
voraus, daß Ney auf der Brüsseler Straße nur eine schwache feindliche 
Macht antraf, daß die Engländer wirklich auf Brüssel zurückgingen. 
Napoleon hatte auf dem Schlachtfelde von Ligny etwa 75,000 Mann 
zur Stelle, Blücher 78—80,000 Mann. Die unglückliche hakenförmige 
Aufstellung der Preußen erlaubte aber dem Imperator fast seine ge- 
sammten Streitkräfte gegen La Haye und Ligny zu verwenden, wo die 
beiden Armeecorps von Zieten und Pirch, 56,000 Mann, allein den An- 
griff der Uebermacht aushalten mußten. Thielmann, durch den gewun- 
denen Lauf des Aignebachs von Ligny getrennt, wurde durch einige Schein- 
angriffe der Franzosen beschäftigt; er konnte wohl einige Truppentheile 
den beiden anderen Corps zu Hilfe senden, doch mit der Masse seines 
Corps nicht an dem Hauptkampfe theilnehmen. Die eigentliche Schlacht 
  
*) So hat im Wesentlichen schon Clausewitz den Sachverhalt dargestellt, ohne daß 
der Herzog, in seiner bekannten Erwiderung auf das Buch des Generals, einen Wider- 
spruch versucht hätte. Was Clausewitz nur andeutete, ist jetzt im Einzelnen erwiesen 
durch die Untersuchungen von M. Lehmann (Historische Zeitschrift. Neue Folge II. S. 274) 
und H. Delbrück (Zeitschrift f. Pr. Geschichte 1877. S. 645).
	        
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