Verhandlungen mit Frankreich. 787
Blätter wonnetrunken: wie heimisch müsse sich der edle Herrscher dort auf
dem Tugendfelde fühlen! Wellington dagegen entging, trotz seines rück—
sichtsvollen Auftretens, den gehässigsten Angriffen nicht, ward einmal im
Theater geradezu aus der königlichen Loge hinausgepfiffen. Mit den
Preußen vollends lebte Jedermann auf Kriegsfuß. Welche Entrüstung
in Paris am 3. August, als die preußischen Truppen zur Feier ihres
nationalen Festtags ihre Quartiere und Kasernen erleuchteten und auf
dem Hause des Königs die Inschrift zu lesen stand: parcere subjectis
et debellare superbos! Und welch ein kleinlicher Zank um den Sold
und die Verpflegung der Truppen! Anfangs waren die Bourbonen, bei
der allgemeinen Unordnung, in der That kaum im Stande den Pflichten
des Besiegten nachzukommen. Als aber Hardenberg 5 Millionen aus
Preußen herbeischaffen ließ um den rückständigen Sold zu bezahlen, wei—
gerte sich Blücher dies neue Opfer aus der Hand seiner Mitbürger anzu—
nehmen: „die Armee“, schrieb er stolz, „ist kein Söldnerheer, das um
jeden Preis abgelohnt werden muß, sie ist mit der Nation eins!“ Dann
kam endlich eine Vereinbarung zu Stande, kraft deren Frankreich die Ver—
waltung in den occupirten Landestheilen wieder übernahm und zugleich
die Pflicht für Sold und Unterhalt der Heere zu sorgen. Doch wie die
Bourbonen im vorigen Jahre die versprochene Rückgabe der Kunstschätze
verweigert hatten, so brachen sie auch diesmal ihr Wort. Der in seiner
Großmuth unerschöpfliche Czar stundete sofort die fälligen Zahlungen,
auch das reiche England drückte ein Auge zu, und Oesterreich hatte nicht
den Muth sich von den Beiden zu trennen. Nur das von allen Mitteln
entblößte Preußen konnte keine Nachsicht üben. Als der Finanzminister
Louis an Humboldt kurz und hochmüthig schrieb, die für die Bekleidung
der preußischen Truppen geforderten Summen könnten nicht bezahlt werden,
da erhielt er die Antwort: er selber trage die Schuld, wenn Preußen sich
jetzt allein helfe. Die Generale erhielten Befehl, in den Departements
Requisitionen auszuschreiben, und nun endlich entschloß sich der bourbo-
nische Hof seinen Verpflichtungen nachzukommen.)
Ganz im Sinne dieses steifen Hochmuths war auch die Note gehalten,
womit Talleyrand am 21. September das Ultimatum der Verbündeten
beantwortete. Der gewandte Mann hatte aus dem beginnenden Abmarsch
der russischen Armee neue Hoffnungen geschöpft und begann hochtrabend,
der Allerchristlichste König habe mit den vier Mächten, seinen Verbündeten,
keinen Krieg geführt und könne ihnen folglich ein Eroberungsrecht nicht
zugestehen; niemals werde er eine Scholle Landes von dem „alten Frank-
reich“ abtreten; stellten die vier Mächte dergleichen Zumuthungen, so seien
die französischen Bevollmächtigten angewiesen, sie nicht einmal anzuhören
Die Verbündeten forderten aber von dem „alten Frankreich“ nichts weiter
*) Louis an Humboldt 23. Aug. Humboldt's Bemerkungen dazu 24. Aug. 1815.
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