Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

128 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
er sorgfältig das Wort „Vaterland“ aus und schrieb dafür „Meine Völker“ 
und „Mein Staat“. 
Sollten die Deutschen dergestalt in einem lockeren Verteidigungs— 
bündnis beisammen bleiben, ohne jemals zu einem starken nationalen Leben 
zu erwachen, so war ein gutes Einvernehmen mit Preußen unerläßlich. 
Metternich verkannte dies nicht, doch wie anders als Hardenberg verstand 
er den Gedanken des friedlichen Dualismus! Er hatte sich einst seine An— 
sicht über den preußischen Staat nach den geringschätzigen und feindseligen 
Urteilen, die in den Kreisen des katholischen Reichsadels umliefen, ge— 
bildet und nachher als Gesandter zu Berlin, in den Jahren vor 1805, 
die schwächsten Zeiten der fridericianischen Monarchie aus der Nähe be— 
obachtet. Niemals konnte er die widerwärtigen Eindrücke jener Tage ver— 
winden; der preußische Staat blieb ihm immer nur ein zusammengewür— 
felter Haufe „verschiedener Nationen“, ein Gebilde des Zufalls: „Alles 
scheint Widerspruch in der Geschichte Preußens, und diese Jahrbücher um— 
fassen kaum ein Jahrhundert!“ Darum glaubte er sein Lebelang, das 
Weltreich Napoleons würde gedauert haben, wenn der Imperator nur den 
Staat Friedrichs etwas glimpflicher behandelt und als einen bescheidenen 
Mittelstaat in die Reihen des Rheinbundes aufgenommen hätte. Im Jahre 
1811 rechnete er bestimmt auf Preußens Untergang und hoffte mit Na— 
poleons Hilfe Schlesien für das Haus Osterreich zurückzugewinnen. 
Auch als diese Rechnung trog und Preußen sich glorreich wiedererhob, 
ahnte Metternich noch immer nichts von den sittlichen Kräften, welche den 
gedemütigten Staat zu dem ungleichen Kampfe befähigten; er gefiel sich 
darin, die preußischen Dinge im trübsten Lichte zu sehen, sprach wegwerfend 
von dem beschränkten, unentschlossenen Könige wie von Hardenbergs leicht— 
gläubiger Schwäche; er redete sich ein, die preußische Armee habe zur Zeit 
des Waffenstillstandes „nur dem Namen nach existiert“; selbst den Ruhm 
Blüchers, Gneisenaus, Yorks meinte er durch einige fade Späße über die 
grammatischen Schnitzer des Marschalls Vorwärts abzutun. Daran be— 
stand in der Hofburg gar kein Zweifel, daß Preußen nur durch SÖster- 
reich vor der Vernichtung gerettet worden war; mehr als drei Großmächte 
auf dem Festlande hatte Metternich niemals anerkannt. Das wiederher— 
gestellte Preußen sollte immerdar die erste Hilfsmacht des Hauses Oster- 
reich bleiben; nach der Anschauung des Wiener Hofes bedeutete der deutsche 
Dualismus — die Herrschaft Osterreichs unter Preußens freiwilliger Mit— 
wirkung. Metternich verstand jedoch meisterhaft, den preußischen Staats- 
kanzler über seine Herzensmeinung zu täuschen; er wahrte die Formen so 
sorgfältig, daß die Berliner Staatsmänner fest überzeugt blieben, Preußen 
werde in Wien als eine durchaus gleichberechtigte befreundete Großmacht 
angesehen. In zwanzig Jahren geschah es nur ein einziges Mal, und bei 
einem ziemlich geringfügigen Anlaß, daß Metternich dem preußischen Ge- 
sandten gegenüber sich eine Bemerkung über eine innere Angelegenheit des
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.