Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

144 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
Metternich die preußischen Vorschläge nicht annehmen wollte. Was blieb 
übrig als den begangenen Fehler, an dem Hardenbergs Leichtgläubigkeit 
kaum weniger Schuld trug, als Hänleins Ungeschick, sogleich zurückzu— 
nehmen? Am 9. August wurde Hänlein abberufen. Sein erzürnter Chef 
warf ihm vor, daß er durch irrige Berichte seinen Hof zu falschen Schritten 
verleitet und dann durch öffentliche Behandlung der Sache ein höchst nach— 
teiliges Aufsehen erregt habe: „der gute Erfolg des Bundes hängt von dem 
vollkommensten Einverständnis zwischen Preußen und Osterreich ab; nie- 
mand darf eine Divergenz von Meinungen zwischen beiden für das Wohl 
Europas und Deutschlands eng verbündeten Höfen auch nur ahnen.“) 
Gleichzeitig ward Humboldt mit der vorläufigen Vertretung der Bundes- 
gesandtschaft beauftragt, und ihm gelang durch entschlossene Haltung das 
erschütterte Ansehen Preußens so weit wieder herzustellen, daß Graf Buol 
in den vorbereitenden Sitzungen des Bundestages keinen Schritt ohne 
seine Zustimmung wagte. Aber die bösen Folgen der erlittenen Nieder- 
lage wirkten lange nach. Preußen und das ländergierige Bayern wurden 
noch drei Jahre lang allgemein als die ehrgeizigen Störenfriede des Bun- 
des beargwöhnt; von einer preußischen Partei, die doch in Regensburg 
niemals ganz gefehlt hatte, war in Frankfurt vorderhand keine Spur zu 
finden, und der Einfluß der norddeutschen Großmacht auf die Bundes- 
verhandlungen blieb so bescheiden, daß die süddeutschen Staatsmänner spä- 
terhin diese ersten Jahre als die goldene Zeit des Bundestages zu be- 
zeichnen pflegten. 
Humboldt aber bildete sich schon aus den Erfahrungen dieser ersten 
Wochen eine hoffnungslose, und leider vollkommen richtige Ansicht von 
dem Deutschen Bunde und entwickelte sie in einer großen Denkschrift vom 
30. September 1816, welche nachher der Instruktion der preußischen Bun- 
desgesandten zugrunde gelegt wurde*) Hier ward das „höchst unförm- 
liche, auf Nichts mit einiger Sicherheit ruhende Gebäude“ der Bundes- 
verfassung drastisch geschildert, „dazu die ungeheure Erschwerung“ aller 
Beschlüsse, also daß „man kaum begreift, wie über einige Punkte ein Be- 
schluß möglich sei.“ Daraus folgt, daß Preußen zwar mit Osterreich ein 
gutes Verständnis bewahren, aber sich begnügen muß, am Bundestage nur 
„eine allgemeine Sprache“ zu führen. Die wirkliche Ausführung gemein- 
nütziger Institutionen läßt sich nur erreichen „in dem einzelnen Verkehre 
mit den deutschen Staaten selbst. Es muß in der Politik Preußens liegen, 
diese Nachbarstaaten in sein politisches und selbst administratives System 
bis zu einem gewissen Punkt zu verweben.“ Das ganze Programm der 
preußischen Bundespolitik lag in diesen Worten. Noch bevor der Bundestag 
  
*) Hänleins Bericht, 2. Juli. Hardenbergs Antwort, 9. August. Berstetts Bericht, 
1. Juli 1816. 
) So Blittersdorff in seiner Denkschrift über die Bundespolitik v. 18. Febr. 1822. 
*““) Veröffentlicht v. C. Rößler, Zeitschrift für preußische Geschichte 1872.
	        
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