146 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
formen, liegt schon das Gepräge und der Grundcharakter desselben als
Volk. Das Nationalbedürfnis sei die Schöpferin und der Leitstern bei
allen nationellen Formen, und alsdann geht man verbürgt zum wahren,
zum höchsten Ziel!“ Die Rede schilderte sodann den Verfall Deutschlands
während der letzten Jahrhunderte: „ich fahre fort den Weg zu verfolgen,
wohin mich der berührte neigende Gipfel geschwächter Nationalität führt.“
Sie rühmte darauf, dank dem Deutschen Bunde erscheine Deutschland
jetzt wieder als „Macht in der Reihe der Völker. In dieser Art halten
wir uns fest auf dem Gipfel, wo ein großes Volk in der Mannigfaltigkeit
seiner bürgerlichen Formen der großen Bestimmung der Menschheit und
seiner Entwicklung frei entgegengeht, zugleich aber ein einziges Ganzes
in nationeller Beziehung ausmacht!“ Zum Schluß beteuerte der Ge—
sandte inbrünstig „die Deutschheit seiner Gesinnungen“; er versicherte noch—
mals, sein Kaiser betrachte sich „als vollkommen gleiches Bundesglied“,
und erinnerte — mit einem freundschaftlichen Seitenhiebe gegen Preußen,
der sogleich von allen Seiten verstanden wurde — an „jene glückliche, zum
gegenseitigen Vertrauen berechtigende Lage, daß Osterreich auf deutschem
Boden ebensowenig eine Eroberung als eine eigenmächtige Erweiterung
seines Standpunktes im Deutschen Bunde beabsichtigen will oder auch nur
beabsichtigen kann!“
Hierauf erwiderte Humboldt kurz und würdig. Die meisten anderen
Gesandten empfahlen sich lediglich der Gewogenheit der Anwesenden oder
sie sprachen die kühne Hoffnung aus, „daß der heutige Tag schon übers
Jahr und bis in späte Zeiten den für das Gesamtvaterland erfreulichsten
möge beigezählt werden.“ Nur Gagern konnte sich nicht enthalten, in
längerer Rede die deutsche Gesinnung des oranischen Hauses zu feiern und
zu versprechen, daß Luxemburg immerdar der natürliche Vermittler in
Deutschland sein werde. Auch hielt er für angemessen, „in diesem er-
lauchten deutschen Senate, fast nach Art jenes merkwürdigen alten Volkes,
ein Totengericht zu halten“; so sprach er denn in schwungvollen Worten,
von dem Fürsten von Nassau-Weilburg, von den für Deutschland gefallenen
Welfen und „damit man mir nicht vorwerfe, daß ich der Fürstlichkeit allein
huldige“, auch von Andreas Hofer und Palm. Zum Schlusse rief er be-
geistert sein unvermeidliches: Je maintiendray! — Es war eine unbe-
schreiblich abgeschmackte Feier, die würdige Eröffnung eines politischen Possen-
spiels, von dem sich bald die gesamte Nation mit Abscheu abwenden sollte.
Sechs Tage nachher hielt Graf Buol seinen ersten Präsidialvortrag
und zählte pathetisch alle die Wohltaten auf, welche den Deutschen aus
der Verwirklichung der unbestimmten Zusagen der Bundesakte erwachsen
könnten. Von dem Artikel 19, der die Regelung der nationalen Verkehrs-
verhältnisse versprach, rühmte der Osterreicher in seinem wunderbaren
Deutsch: dieser Artikel „bezweckt, die deutschen Bundesstaaten selbst in Hin-
sicht des Handels und Verkehrs sowie der Schiffahrt einander zu ent-