Streit mit dem Kurfürsten von Hessen. 151
Deutsch-Ordensgüter gekauft; der Kauf wurde im August 1815, zwei Jahre
nach der Rückkehr des alten Landesherrn, durch die kurfürstlichen Behörden
in die Katasterrolle eingetragen. Gleichwohl erhielt der Käufer ein halbes
Jahr später den Befehl zur Wiederauslieferung der Güter, die er unter—
dessen zerschlagen und an zwanzig andere veräußert hatte; der Kurfürst,
so hieß es kurzab, wolle nicht dulden, daß Staatsgüter in den Händen
von Privaten blieben. Die Bundesversammlung faßte den mildesten Be—
schluß, der in einem solchen Falle möglich war: sie verwies den Kläger
an den Kurfürsten und forderte ihn auf, „wenn er dort, gegen alle bessere
Erwartung der Bundesversammlung, nicht erhört werden sollte“, seine Be—
schwerde nochmals beim Bunde einzureichen. Der Kurfürst aber tobte, als
er von dieser frevelhaften Verletzung seiner Kronrechte erfuhr, und ließ in
Frankfurt eine Erwiderung verlesen, welche sofort in dem öffentlichen Pro—
tokolle abgedruckt werden mußte (17. März 1817): er nannte darin den
letzten Beschluß „sehr auffallend“, gab den Gesandten seine „Verwunderung
über ein Benehmen zu erkennen, welches die Billigung ihrer Kommittenten
unmöglich erhalten könne“, und schloß drohend: er verbitte sich jede Ein—
mischung in seine inneren Landesangelegenheiten.
Eine solche Sprache schien doch selbst der Geduld des Bundestages
unerträglich. Alle Gesandten brachen den geselligen Verkehr mit dem Ver—
treter des Kurfürsten ab; man erwartete bestimmt, die beiden Großmächte
würden ihre Gesandtschaften aus Kassel abberufen und dem Bunde eine
glänzende Genugtuung für die erlittene Beleidigung verschaffen.“) Graf
Buol erwiderte in geharnischter Rede: die Stellung des Bundestages würde
auf die gemeinschädlichste Weise verändert werden, wenn er sich gefallen
lassen müßte, daß ein unzufriedenes Bundesglied in verweisendem Tone zu
ihm spräche: „die Bundesversammlung ist nie und nirgends unter einem
Gliede des Bundes.“ Zuletzt versicherte er sogar mit einer in diesem Kreise
unerhörten Begeisterung: der Bundestag werde „den bedrängten Unter-
tanen die Uberzeugung verschaffen, daß Deutschland nur darum mit dem
Blute der Völker von fremdem Joche befreit wurde, damit überall ein
rechtlicher Zustand an die Stelle der Willkür treten möge“. Graf Goltz
erklärte die unbedingte Zustimmung seines Königs zu dem gefaßten Be-
schlussec; auch Gagern versicherte in einer hochpathetischen, verworrenen
Rede: das von dem Kurfürsten angetastete Eigentumsrecht „enthalte ein
beinahe jungfräuliches noli me tangere“. Mit Ausnahme der beiden
hessischen Bevollmächtigten schien der gesamte Bundestag einig.
Doch leider hatte Graf Buol auf eigene Faust gehandelt; seine Instruk-
tionen waren, nach der Gewohnheit der Hofburg, wieder einmal ausge-
blieben. Er reiste daher zu Anfang April selbst nach Hause um dem
Bundestag den Beistand des Wiener Hofes zu sichern. Aber welch ein
*) Berstetts Bericht, 16. März 1817.