Die westfälischen Domänenkäufer. 153
und Braunschweig wurden die westfälischen Gesetze allesamt für nichtig
erklärt, nur die wohlerworbenen Rechte der Untertanen behandelte man
mit Schonung.
Um so dreister griff der hessische Kurfürst zu. Alles und jedes in
seinem Lande sollte auf den Stand vom Herbste 1806 zurückgebracht wer-
den, und der geizige Herr verfuhr bei diesem ungeheuerlichen Unternehmen
nicht, wie gleichzeitig der König von Sardinien, mit der naiven Ehrlich-
keit des legitimistischen Fanatikers, sondern mit offenbarer Gaunerei. Was
sein „Verwalter Jerome“ für die Kronkasse erworben hatte, ward als recht-
mäßige Kriegsbeute behalten, was er veräußert als Raub zurückgefordert;
die Handwerker, die dem lustigen Napoleoniden seine Gemächer ausge-
schmückt, empfingen keine Bezahlung, aber die gelieferten Möbel verblieben
den kurfürstlichen Schlössern. Selbst in den Zeiten der polnischen Auguste
hatte das geduldige Deutschland so freche Willkür kaum gesehen. Am
schwersten litten die Käufer der zahlreichen durch König Jerome ver-
äußerten Domänen; sie wurden aus ihrem Eigentum vertrieben und be-
stürmten den Bund mit Klagen. Als diese Beschwerden in Frankfurt zur
Verhandlung kamen, stimmte der kurhessische Gesandte wieder den gewohnten
Ton an und warf mit „frechsten Lügen“ um sich. Martens, der Ver-
treter Braunschweigs, hatte die Stirn, dem treuen Volke dieser welfisch-
hessischen Lande, das so unsäglich viel für seine angestammten Fürsten
geopfert und gelitten hatte, drohend zuzurufen: man müsse durch Aufstel-
lung streng legitimistischer Grundsätze „zum Voraus den deutschen Unter-
tanen die Lust benehmen, dem eindringenden Feinde behilflich zu sein!“
Die Mehrheit des Bundestages, gewitzigt durch die bitteren Erfahrungen
in der Hofmannschen Sache begnügte sich diesmal, die Klagenden dem
Wohlwollen des Kurfürsten zu empfehlen (17. Juli 1817). Damit ward
die Entscheidung der unsauberen Händel nur vertagt; denn alsbald mel-
deten sich andere Opfer der kurfürstlichen Tyrannei. —
Derweil der Bundestag also seine Zeit verdarb, bemühte sich Harden-
berg redlich, den einzigen politisch bedeutsamen Artikel der Bundesakte, der
bei gutem Willen noch der Verwirklichung fähig schien, auszuführen: jenen
Art. 11, welcher den Bundesstaaten gemeinsamen Schutz gegen feindlichen
Angriff versprach. Die Hoffnungen Preußens für das deutsche Bundes-
heerwesen blieben vom Wiener Kongresse bis zur Auflösung des Bundes
immer die gleichen: der Berliner Hof wünschte die Zweiteilung des Bun-
desheeres, und nur wenn sich der Widerstand der deutschen Höfe nicht
anders besiegen ließ war er bereit den Mittelstaaten die Bildung selb-
ständiger Armeekorps zuzugestehen. Ungeschreckt durch Hänleins Erfahr-
ungen begann der Staatskanzler sogleich mit dem Wiener Hofe vertraulich zu
unterhandeln, obgleich er doch aus den Instruktionen des Präsidialge-
sandten wissen mußte, daß die Hofburg keineswegs geneigt war, durch Son-
derverhandlungen das Wohlwollen der kleinen Souveräne zu verscherzen.