Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Verhandlungen über die Landstände. 165 
von vornherein den weltbürgerlichen Charakter des modernen Judentums. 
Die fünf, durch den dankbaren Kaiser Franz baronisierten Söhne des alten 
Amschel siedelten sich in allen Hauptplätzen Westeuropas an und befolgten 
allesamt jenen einfachen Grundsatz, welchen einst ihr Vater gegen den 
Kurfürsten von Hessen ausgesprochen hatte: „wer mir mein Geld nimmt, 
nimmt mir meine Ehre, und meine Ehre ist mein Leben.“ Der Frank— 
furter Zweig des Hauses blieb der Hofburg ein treuer Helfer in ihrer 
ewigen Finanznot und ein mächtiger Bundesgenosse ihrer deutschen Politik; 
in Berlin war wenig zu gewinnen, da der preußische Staatshaushalt zehn 
Jahre nach dem Frieden bereits wieder in Ordnung kam. Friedrich Gentz 
aber schrieb voll uneigennütziger Begeisterung einen langen Aussatz für 
das Konversationslexikon, der die unvergleichliche Weisheit und Tugend der 
Gebrüder Rothschild in vollendetem Bedientenstile feierte. — 
Wenn der Bundestag die nächste und wichtigste seiner Pflichten so 
schimpflich verabsäumte, um wie viel weniger konnte er den zahlreichen 
anderen Aufgaben gerecht werden, welche ihm die vieldeutigen Worte der 
Bundesakte zuwiesen. Schleunige Erfüllung des Art. 13, der die Ein- 
führung von Landständen verhieß — so lautete der einstimmige Ruf aller 
Parteien der Opposition, und nichts wollte man dem Bundestage weniger 
verzeihen, als daß er sich um jene Zusage so wenig kümmerte. Und doch 
war die Bundesversammlung keineswegs berechtigt, sich auf Grund jener 
unbestimmten Weissagung in die Verfassungskämpfe der Einzelstaaten ein- 
zumischen. Obschon Hardenberg dem Grafen Goltz in seiner Instruktion 
einschärfte, das Ausbleiben der verheißenen Verfassungen könne nach allen 
den Drangsalen der Kriegsjahre hochgefährlich werden, so fanden sich doch 
die Bundesgesandten bald zusammen in dem stillschweigenden Entschlusse 
diese heikliche Frage nicht zu berühren. Alle Kabinette erfuhren bald, daß 
die Verwirklichung jenes Versprechens doch weit schwieriger war als die 
liberale Ungeduld wähnte, alle bewachten eifersüchtig ihre Souveränität 
gegen den Bund, manche dachten auch schon im Stillen sich der unbe- 
quemen Verpflichtung ganz zu entziehen, zumal seit in Württemberg ein 
leidenschaftlicher Kampf zwischen der Krone und den Landständen ausge- 
brochen war, der die Höfe mit Schrecken erfüllte. 
Gleichwohl ward der Bundestag gezwungen sich mit der Angelegenheit 
zu befassen. Karl August von Weimar hatte schon im Mai 1816, der erste 
unter seinen Genossen, eine Verfassung für sein Ländchen verkündigt und 
verlangte im Dezember die Bürgschaft des Bundes für dies Grundgesetz. 
Der gradsinnige Fürst sprach offen aus, er sei gewillt, die für Deutschland 
aufgegangenen Hoffnungen in seinem Lande zu verwirklichen, und mit brau- 
sendem Jubel feierte die liberale Presse „den einzigen deutschen Fürsten, der 
sein Wort gehalten". Die Mehrzahl des Bundestages empfing den wei- 
marischen Antrag mit unverhohlenem Arger; warum mußte dieser kleine 
Herr sich so anmaßlich vordrängen und, um die Volksgunst buhlend, die
	        
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