166 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages.
anderen Souveräne in den Schatten stellen? Es kam zu heftigen Auf—
tritten. Als Bayern die Kompetenz des Bundestages bezweifelte, erwiderte
der Gesandte der ernestinischen Höfe scharf: durch solche Behauptungen be—
stätige man nur den weitverbreiteten grundlosen Vorwurf, als ob der Bund
lediglich die neuen Souveränitätsrechte wahren, den Untertanen aber ihre
vormals durch die Reichsverfassung gesicherten Rechte vorenthalten wolle.
Der arglose Gagern vermehrte noch die Verstimmung, da er dem Groß—
herzog treuherzig seinen Dank aussprach für diesen Vorgang, der eine Trieb-
feder mehr für andere Fürsten sein würde. In Wien war man peinlich
überrascht, da man weder dem fürstlichen Demagogen in Weimar eine Aner-
kennung gönnte noch dem Bundestage eine schiedsrichterliche Gewalt ein-
räumen wollte. Hardenberg dagegen, der noch zuversichtlich an das Ge-
lingen seiner eigenen Verfassungspläne glaubte, nahm sich des Großherzogs
an, lobte die patriotische Gesinnung, die sich in dem weimarischen Antrage
bekundete, und beschwichtigte durch einen vertraulichen Brief vorläufig die
Bedenken Metternichs. Mit der üblichen feierlichen Langsamkeit tat der
Bundestag endlich was er nicht lassen durfte und bewilligte, nach reichlich
vier Monaten, in den trockensten Worten die erbetene Bürgschaft; doch
fügte der österreichische Gesandte nachdrücklich hinzu: in solchen Fragen müsse
grundsätzlich alles der freien Vereinigung der Fürsten und der Stände
überlassen bleiben.
Um die nämliche Zeit hatte ein Löwensteinscher Justizrat Beck im
Odenwald eine unschuldige Petition angefertigt, die den Bundestag um
schleunige Ausführung des geliebten Art. 13 bat; einige Heißsporne aus
der Jenenser und Heidelberger Studentenschaft trugen das Schriftstück auf
weiten Fußwanderungen von Ort zu Ort. Der Mann kam selbst nach
Frankfurt, besuchte einige der Gesandten und führte, wie die Erschreckten
heim berichteten, eine höchst revolutionäre Sprache. Trotz des Eifers der
Studenten und des Beifalls der liberalen Presse fand die Bittschrift in ganz
Deutschland kaum tausend Unterzeichner; aber es war seit unvordenklichen
Zeiten das erste Beispiel einer über mehrere deutsche Staaten verzweigten
politischen Agitation, und der Beamtenstaat hing noch überall an der alten
unverbrüchlichen Regel: jede Bitte ist erlaubt, nur nicht das Sammeln
von Unterschriften. Daher erregte dies schüchterne Erwachen des Partei-
lebens allgemeine Bestürzung an den Höfen; selbst Hardenberg befahl dem
Gesandten in Frankfurt lebhaft erregt, dies gefährliche demagogische Treiben
scharf im Auge zu behalten.“)
Nach wie vor blieb Metternich entschlossen den Bundestag von diesen
schwierigen Fragen fern zu halten. Er sah mit Befriedigung, daß in den
österreichischen Kronländern die Verheißung der Bundesakte längst herrlich
erfüllt war; hier bestanden ja noch jene mumienhaften Postulatenlandtage,
*) Weisung an Goltz, 8. Dezember 1818.