268 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
ersten Musikvereine gestiftet, immer in der stillen Hoffnung dereinst den
Franzosen zum Tanz aufzuspielen; dann der Burscheider Pastor Löh, der,
bei allen Religionsparteien gleich angesehen, allen Duldung und Frieden
predigte; dann der Prediger Ascheberg, Herausgeber der auch in West—
falen weit verbreiteten und durch Vincke eifrig unterstützten Zeitschrift
Hermann. über die Grenzen der Landschaft hinaus reichte die Wirk—
samkeit des schlagfertigen Polyhistors Benzenberg. Der wackere Patriot
hatte sich in seiner gewerbfleißigen Heimat eine volkswirtschaftliche Bil-
dung erworben, die den übrigen deutschen Publizisten noch fehlte, und
dann im Verkehr mit Hardenberg und Gneisenau gelernt, wie sich die
politischen Dinge von oben betrachtet ausnehmen; er lieh dem Staats-
kanzler freiwillig seine unabhängige Feder und bekämpfte unverdrossen mit
fröhlichem bergischem Freimut die Vorurteile der Rheinländer wider den
preußischen Staat.
Noch williger als Berg fanden sich die altpreußischen Lande Cleve,
Mörs und Geldern in die neue Ordnung: nicht bloß Wesel und Duis-
burg, die alten Burgen des streitbaren Calvinismus, sondern auch die
strengkatholischen Landleute des linken Ufers, die bei der gnadenreichen
Mutter Gottes von Kevelaer ihren Trost suchten. Das Volk dachte mit
Stolz an die lange Reihe glänzender Talente, welche der Staat der Hohen-
zollern diesem entlegenen Winkel verdankte; eben jetzt hatte die kleine Stadt
Cleve dem preußischen Beamtentum wieder vier seiner besten Männer
geschenkt: Maassen, Beuth, Sack und Sethe. In dem treuen Krefeld trat
die preußische Gesinnung so trotzig auf, daß die heimkehrenden französi-
schen Gefangenen auf dem Durchmarsch kaum ihres Lebens sicher waren;
die Seidenfabriken der rührigen Stadt erlitten durch die Trennung von
Frankreich zunächst schwere Verluste, aber so große Firmen wie das Haus
v. d. Leyen, so tätige, königliche Kaufleute wie de Greiff trauten sich's
schon zu, daß sie die unvermeidlichen Leiden der Übergangsjahre über-
stehen würden.
Weiter aufwärts am linken Ufer ward den preußischen Beamten der
alte Gegensatz der weltlichen und der geistlichen Landschaften bald fühlbar.
Die Grafschafter in dem Saarbrückener Kohlenbecken gedachten noch immer
mit Liebe des nassauischen Hauses, das so lange unter ihnen geherrscht
und in der alten Kirche von St. Arnual seine Ruhestatt gefunden hatte;
die Pfälzer auf dem Hunsrücken und im Nahetal vergaßen der glän-
zenden Tage nicht, da das kleine Simmern der Stammsitz des mächtigsten
rheinischen Fürstengeschlechts gewesen; sie alle, Katholiken wie Protestanten,
kannten die Wohltaten deutschen Fürstenregiments und begrüßten mit
Freuden die preußische Herrschaft, da die Rückkehr zu den alten Dhnastien
doch unmöglich war. In den alten Krummstabslanden dagegen, auch in
Nachen und in Jilich regte sich überall eine mißtrauische störrische Unzu-
friedenheit. Hier fehlten gänzlich die monarchischen Uberlieferungen, in