286 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
König, baten um ihre Wiederherstellung. Noch weiter gingen die Land—
räte v. d. Horst und von Borries als Deputierte der Mindener Stände;
sie verlangten Wiederaufrichtung der alten Verfassung, mindestens insoweit,
daß die Mindener Nation ihre Steuern selbst bewillige und die Landes-
bewaffnung von ihren Ständen geleitet werde.) Die altständische Be-
wegung griff täglich weiter um sich. Selbst im Herzogtum Magdeburg,
dessen Stände schon lange vor den Tagen des Königs Jerome gar nichts
mehr gegolten hatten, auch in der Grasschaft Hohenstein und im Eichs-
felde wurden Stimmen laut, welche die alten Landtage zurückverlangten.
Solchen Ansprüchen gegenüber konnte die Staatseinheit nur dann
gewahrt werden, wenn das Verfassungswerk allein von der Krone ausging.
Die Nachrichten aus Württemberg, wo der König soeben mit einer alt-
ständischen Versammlung sich vergeblich über eine neue Verfassung zu ver-
ständigen versuchte, hinterließen in Berlin tiefen Eindruck. Wer durfte
nach diesen Erfahrungen auch nur daran denken, die preußische Verfassung
mit zwanzig oder mehr altständischen Landtagen zu vereinbaren? Man
bedurfte eines Neubaues. Die neuen Provinzialstände mußten sich an-
schließen an die modernen Provinzen, nicht an die alten Territorien, und
neben dem Adel auch den Städten und dem kleinen Grundbesitze eine an-
gemessene Vertretung bieten. Zugleich lehrte das Wiedererwachen des stän-
dischen Partikularismus, wie stark die zentrifugalen Kräfte noch waren;
darum schien unerläßlich, den Provinzialständen den Reichstag auf dem
Fuße folgen zu lassen.
Dies Alles hatte Hardenberg klar erkannt. Unter den Ministern aber
herrschte vollständige Ratlosigkeit. Sie standen einem durchaus neuen
Probleme gegenüber und betrachteten den zähen Widerstand der neuen
Provinzen, den Lärm der alten Stände mit schwerer Besorgnis. Während
Ancillon in vertraulichen Gesprächen sich schon der Wünsche der Alt-
ständischen annahm, war Klewitz der erste, der ihnen offen entgegenkam.
Ein ehrlicher Gegner der feudalen Partei, hatte der wackere Mann doch
von jeher die Berechtigung der partikularistischen Kräfte des Staats über-
schätzt und daher schon in jener Denkschrift, welche die Wiederherstellung
der Provinzialminister empfahl, dem Staatskanzler vorgeschlagen: man
möge vorläufig nur Provinzialstände bilden, dann werde die Nation die
Reichsverfassung ruhig abwarten. Ein halbes Jahr darauf, im Frühjahr
1817, tat er noch einen Schritt weiter nach der altständischen Seite hinüber.
Er schrieb eine neue Denkschrift „Was erwarten die preußischen Länder
von ihrem König und was kann der König ihnen gewähren?" und be-
antwortete seine Frage dahin: „Mehr nicht erwarten diese Länder, alte
*) Graf Merveldt, Eingabe an Minister Altenstein, 20. August 1817. Bittschrift
der Paderborner Stände an den König, 31. August 1816. Eingabe der Stände des
Fürstentums Minden an Hardenberg, 10. April 1815.