Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

328 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. 
über dem vereinsamten Taubergrunde. Selbst Nürnberg war mit Schulden 
überlastet und unter der Vetternherrschaft der neunzehn „genießenden“ 
Familien vom Kleinen Rate ganz verknöchert. In Augsburg allein hatte 
sich, dank den unerschöpflichen Wasserkräften des Lechfeldes, die alt— 
berühmte Weberei seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wieder 
etwas gehoben. Die bayrische Regierung verstand es nicht, dies schlum— 
mernde Bürgertum durch Befreiung des Gewerbes neu zu beleben. 
Während München, mit königlicher Gunst überhäuft, beständig wuchs, 
verharrten fast alle anderen bayrischen Städte noch bis zur Mitte der 
dreißiger Jahre in Stillstand und Siechtum, so daß die Rührigkeit der 
norddeutschen Kommunen einen weiten Vorsprung gewann. 
Eben so langsam verlor sich die alte Abneigung zwischen den Bayern, 
Schwaben und Franken. Keiner der drei oberdeutschen Stämme war in 
dem neuen Königreiche stark genug vertreten um die anderen zu beherr- 
schen, ein politisches Gemeingefühl aber konnte in dem künstlichen Staate 
nicht leicht entstehen. Seit der Abtretung von Salzburg und Tyrol 
bestand nur noch die Hälfte der Bevölkerung aus Bayern. Ganz fremd 
stand neben dieser glaubenseinigen bayrischen Masse das östliche Schwaben, 
eine der klassischen Stätten deutschen Glaubenszwistes. Hier konnte der 
Wanderer schon aus den Hauben der Mädchen und aus den Bräuchen 
der Ackerbestellung die Konfession jeder Ortschaft erkennen. Hier wohnten 
die Bauern der Fuggerschen Herrschaften und der Stiftslande Kempten 
und Kaufbeuern, ein strengkatholisches Volk, das noch im Jahre 1809 
nahe daran gewesen war mit den Tyroler Glaubenskämpfern gemeinsame 
Sache zu machen. Nahebei lag Memmingen, eine der Bekennerstädte 
des Protestantismus, und das seit Jahrhunderten von kirchlichem Streite 
heimgesuchte paritätische Augsburg, wo man selbst die Stadtleutnantsstellen 
und Kaffeehaus-Gerechtigkeiten gewissenhaft zwischen beiden Bekenntnissen 
verteilte. Der Ruf der Duldsamkeit des Hauses Zweibrücken stand 
freilich so fest, daß in Augsburg die Protestanten williger als die Katho- 
liken unter das Wittelsbachische Zepter traten; doch währte es lange, 
bis die feingebildeten Patrizier der stolzen Schwabenstadt sich an das 
bayrische Wesen gewöhnten. 
Noch zäher widerstand das protestantische Franken, die wertvollste 
Erwerbung des jungen Königreichs. Zwar auf die Herstellung ihrer 
alten Freiheit hofften die Nürnberger längst nicht mehr; die politische 
Lebenskraft des ehrwürdigen Gemeinwesens war erloschen, schon im 
Jahre 1796 hatte die Bürgerschaft einmal mit großer Mehrheit die 
Unterwerfung unter die Krone Preußen beschlossen. Die Bayern aber 
galten hier noch von den Zeiten Gustav Adolfs her als Feinde; wie 
oft hatte die schalkhafte Laune der Reichsstädter, die eben jetzt wieder in 
den Dialektdichtungen Konrad Grübels hell auflachte, an diesen bösen 
Nachbarn ihren Ubermut ausgelassen. Argwöhnisch behütete die Stadt
	        
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