Wessenberg und das Bistum Konstanz. 365
Bücher errang sich einen Platz in der Literatur. Von Kindesbeinen an
aufgewachsen in der Verehrung Josephs II., hatte er sich einst an Sailers
mildem Katholizismus begeistert, ohne doch in die geistvolle Mystik des
bayrischen Prälaten einzudringen, und lebte nun in dem ehrlichen Glauben,
daß es möglich sei das Rad der Zeit zurückzuschrauben, die fest zentralisierte
Kirche der Gegenreformation kurzerhand zu den Reformgedanken des fünf-
zehnten Jahrhunderts zurückzuführen.
Gleichwohl blieb er ein tief überzeugter Katholik und verwarf, bei
aller Duldsamkeit, „die maßlose Subjektivität“ des Protestantismus. Wenn
er die Evangelischen, Zzum Entsetzen der Klerikalen, als eine Partei inner-
halb der Kirche ansah, so bewies er auch damit nur, wie fest er an
die Einheit der sichtbaren Kirche, an die dereinstige Rückkehr ihrer abge-
fallenen Kinder glaubte. Seine Geistlichen, die er häufig in Pfarrer-
versammlungen um sich zu vereinigen pflegte, verehrten ihn wie einen
Heiligen; dem plebejischen neuen Klerus, der jetzt heranwuchs, fühlte er
sich überlegen als weltkundiger vornehmer Herr, seinen adligen Standes-
genossen galt er als ein Wunder von Gelehrsamkeit. So gelangte er
doch allmählich zu starker Selbstüberschätzung, obgleich der Hochmut seiner
weichen Seele ursprünglich fremd war. Er sah die Jesuiten im Begriff
„ein Gemisch von gesetzlichem Judentum und neuem selbstgeschaffenem
Heidentum an die Stelle der Religion des Geistes, der Liebe, der Wahr-
heit zu setzen“ und hielt sich berufen diesen Schlag von der Kirche abzu-
wehren. Als die Gesellschaft Jesu wiederhergestellt wurde, erkannte er so-
gleich den Ernst dieser folgenschweren Tat und schrieb warnend an seinen
Vetter Metternich: auf das Andringen der katholischen Höfe sei dieser
Orden einst beseitigt worden; jetzt erdreiste sich die Kurie ihn ohne jede
Rücksprache mit den Mächten zu erneuern; welch eine Aussicht für die
Zukunft! Metternich aber erwiderte gleichmütig, sein Kaiser habe nichts
zu fürchten, in Osterreich würden die Jesuiten niemals Aufnahme finden.
Um dieselbe Zeit ernannte Dalberg als Bischof von Konstanz eigen-
mächtig seinen Generalvikar zum Koadjutor mit dem Rechte der Nach-
folge. Sofort empfing er aus Rom einen scharfen Verweis und zugleich
den Befehl, diesen berüchtigten Wessenberg auch seines Generalvikariats
zu entsetzen (2. Nov. 1814). Der ängstliche Primas hielt die Bulle sorg-
fältig geheim, wagte aber auch nicht die Ernennung durchzuführen. In
diesem sonderbaren Zustande verblieb die Diözese bis Dalberg starb und
das Domkapitel nunmehr einstimmig den Generalvikar zum Bistums-
verweser erwählte. Abermals erklärte der Vatikan die Wahl für nichtig.
In einem Breve vom 21. Mai 1817 setzte der Papst sodann dem Groß-
herzog auseinander, warum er sich bewogen finde, diesen Mann, „den alle
Guten verabscheuen, der Unseren Beifall ganz und gar nicht hat,“ zurück-
zuweisen. Der Großherzog, der die Wahl bereits genehmigt hatte, wollte
seinem Prälaten wohl, dessen allezeit verständigen Rat er auch in poli-