366 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe.
tischen Angelegenheiten öfters einzuholen pflegte, und fühlte sich zudem in
seiner fürstlichen Ehre gekränkt; denn nach der josephinischen Doktrin des
badischen Beamtentums gehörte die Ernennung der Bischöfe zu den un—
veräußerlichen Hoheitsrechten des Landesherrn. Obwohl der träge Hacke
von dem Streite abriet, so entschloß sich der Fürst doch auf Marschalls
Rat,“) in einem scharfen Antwortschreiben seine vermeintlichen Rechte
zu verwahren und den Angeschuldigten zu verteidigen (16. Juni).
Wessenberg aber meinte jetzt den Augenblick einer großen Ent—
scheidung gekommen. Ausgerüstet mit einem Empfehlungsbriefe seines
Hofes ging er selbst nach Rom; er hoffte, wie er offen aussprach, ent—
weder den Papst durch die Macht seiner persönlichen Erscheinung umzu—
stimmen oder durch seinen Mißerfolg die öffentliche Meinung der Nation zu
einem tapferen Entschlusse aufzurütteln. Seine ungeschickten Lobredner,
deren er in der Presse nur allzu viele besaß, versäumten auch nicht,
diese Romfahrt mit der Wormser Reise Martin Luthers zu vergleichen,
obgleich dieser neue Luther unter dem mächtigen Schutze der österreichi-
schen Gesandtschaft stand und im Palazzo di Venezia jederzeit ein sicheres
Obdach finden konnte. Im Vatikan empfing man den deutschen Idea-
listen mit der geringschätzigen Ruhe einer alten Weltmacht, die längst daran
gewöhnt ist, immer einige ihrer zahllosen Diözesen in Unordnung zu
sehen. Bei dem Papste ward er nicht vorgelassen. Kardinal Consalvi
führte die Verhandlung, kühl und klug wie immer, und legte dem Prä-
laten einen Widerruf vor, der nach römischer Anschauung sehr mild ge-
halten war: Wessenberg sollte einfach mißbilligen, was Se. Heiligkeit miß-
billigt habe. Einige Monate hindurch wurden dann noch Anklagen und
Verteidigungsschriften zwischen den beiden gewechselt. Consalvi blieb
unerschütterlich. Wessenberg hatte sein Spiel verloren, denn er wollte
weder dem Beispiele seines geliebten Fenelon folgen und einen Widerruf
leisten, „der ihn zur Knechtschaft gegen die römische Kurie verpflichtet hätte,“
noch sich lossagen von seiner heiligen Kirche. Am 16. Dez. teilte er dem
Kardinal mit, er gehe jetzt nach Baden zurück und überlasse das Weitere
seinem Landesherrn.
Daheim empfingen ihn manche Zeichen warmer Zustimmung. Fast
sein gesamter Klerus blieb ihm treu ergeben; die Beamten, denen die
Kirchenpolitik der süddeutschen Kleinstaaten anvertraut war, standen alle
auf seiner Seite, so Werkmeister in Württemberg, Koch in Nassau, des-
gleichen Klübers streitbare Feder und die große Mehrzahl der Zeitungs-
artikel und Flugschriften, die sich des Falles bemächtigten. Aber von
einer stürmischen Volksbewegung zeigte sich keine Spur; wie sollte die
weichmütige Halbheit starke Leidenschaften erwecken? Die badische Re-
gierung ließ den Verfolgten die Verwaltung seiner Diözese unangefochten
*) Varnhagens Bericht, 1. Juli 1817.