Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Badische Verfassung. Nassau. 375 
Raum gegeben.““) Die grobe Unredlichkeit dieser Beteuerung erwies 
genugsam, daß der Verdacht des Karlsruher Hofes nicht grundlos war. 
Zum zweiten Male binnen zwei Jahren drohte der Ehrgeiz der Wittels- 
bacher einen Bürgerkrieg über Deutschland heraufzuführen. Die Presse 
des Auslandes bemächtigte sich bereits der neuen querelle Allemande; 
Badens gute Sache fand einen zweifelhaften Anwalt an dem napoleoni- 
schen Diplomaten Bignon, der fortan bei allen deutschen Händeln regel- 
mäßig seine gewandte Feder für die Rechte bedrängter Kleinfürsten ein- 
setzte. Indes das schwache Lebenslicht des Großherzogs erlosch so schnell 
noch nicht; die vier Mächte behielten Zeit den bayrischen Ubermut in 
seine Schranken zurückzuweisen. — 
  
Auch in Nassau verliefen die Anfänge des konstitutionellen Lebens 
nicht ohne Stürme. Dort war schon vor dem Wiener Kongresse, am 
1. Sept. 1814 eine Verfassung verkündigt worden, und der allmächtige 
Minister Marschall rühmte sich dem gesamten Deutschland vorange- 
schritten zu sein. Aber die liberale Welt ließ ihrem Liebling Karl August 
von Weimar den Ruhm des ersten konstitutionellen Fürsten nicht ab- 
streiten, und sie war im Rechte. Denn obwohl alle Beamten bereits auf 
die Verfassung beeidigt waren, so währte es doch noch viertehalb Jahre bis 
man den Landtag einberief, und Marschall benutzte diese Frist um ein Füll- 
horn organischer Gesetze über das Ländchen auszuschütten und eine neue 
Größe in die deutsche Geschichte einzuführen: den zentralisierten nassauischen 
Einheitsstaat. Während die gewaltigen Nassau-Oranier in den Nieder- 
landen die Welt mit ihrem Kriegsruhm füllten, wußte die Geschichte der 
letzten Jahrhunderte von den deutschen Nassauern kaum mehr zu erzählen, 
als daß sie sich beharrlich und immer von neuem in Linien teilten. Sie 
betrieben diese dem deutschen Kleinfürstenstande eingeborene Liebhaberei 
mit einer Ausdauer, die selbst von den Wettinern nicht überboten wurde; 
eine Zeitlang hausten sogar in der kleinen Stadt Siegen zwei Linien 
Nassau-Siegen, die eine katholisch, die andere reformiert, jede in ihrem 
eigenen Schlosse, die beiden Hälften der Stadt durch eine hohe Mauer 
und wütenden Nationalhaß getrennt. Aber das Glück war dem treu- 
fleißigen Bemühen nicht hold; die mit so großer Sorgfalt angepflanzten 
neuen Linien starben immer wieder aus. Im Jahre 1816 starb auch 
der letzte Usinger, und nunmehr trat die Linie Weilburg in den alleinigen 
Besitz jener Länderbrocken, welche einst Gagerns plastische Hand — wie 
Stein spottete — in Paris und Wien für das Gesamthaus Nassau zu- 
sammengebracht hatte. So prahlerisch wie Marschall verstand kein anderer 
  
*) Note des Gesandten v. Gremp, 25. Sept., Antwort Rechbergs, 29. Sept. 1818.
	        
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