422 II. 7. Die Burschenschaft.
Bereits im Sommer 1814 hatte sich in Jena eine Wehrschaft ge—
bildet, die ihre Leute durch ritterliche Ubungen für den vaterländischen
Waffendienst vorbereitete. Im folgenden Frühjahr traten dann die Mit—
glieder von zwei Landsmannschaften, die des schalen alten Treibens
müde waren, mit einigen Wilden zusammen, und am 12. Juni 1815
ward die neue Burschenschaft, nach altem Jenenser Brauch, durch einen
feierlichen Aufzug über den Marktplatz eröffnet. An der Spitze standen
zwei Theologen aus Mecklenburg, Horn und Riemann, und ein begeisterter
Schüler von Fries, Scheidler aus Gotha, durchweg stattliche, brave junge
Männer, die sich im Kriege tapfer geschlagen hatten. Der erste Sprecher,
Karl Horn, der späterhin als Lehrer Fritz Reuters weiteren Kreisen be-
kannt wurde, blieb bis ins hohe Alter dem Enthusiasmus seiner Jugend
treu und starb in dem frommen Glauben, daß er mit der Stiftung der
Burschenschaft „ein Werk des Herrn“ getan habe. Die neue Verbin-
dung brach sofort mit allen Unsitten des Pennalismus und wurde nach
rein demokratischen Grundsätzen durch einen freigewählten Ausschuß und
Vorstand regiert; ihr Ehrengericht brachte die Duelle auf eine bescheidene
Zahl herab und wachte streng über ehrenhafter Sitte.
Schon ein Jahr nach der Stiftung hatten sich alle anderen Ver-
bindungen in Jena aufgelöst, und die Burschenschaft erschien nunmehr
wirklich, wie sie es wollte, als ein Bund der gesamten christlich-deutschen
Studentenschaft. In diesen ersten Tagen herrschte noch durchaus der
gute Ton einer warmen vaterländischen Begeisterung. Welch ein Abstand
gegen die Roheit früherer Tage, wenn die Burschen jetzt als Bundesge-
sang das mächtige Lied von Arndt anstimmten:
Wem soll der erste Dank erschallen?
Dem Gott, der groß und wunderbar
Aus langer Schande Nacht uns allen
In Flammen aufgegangen war,
Der unfrer Feinde Trotz zerblitzet,
Der unsre Kraft uns schön erneut
Und auf den Sternen waltend sitzet
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Zum Feldzeichen ihres Bundes und der deutschen Einheit, die er symbolisch
darstellen sollte, nahmen die Burschen auf Jahns Vorschlag ein schwarzrot-
goldenes Banner an. Es waren wahrscheinlich die Uniformfarben der
Lützower Freischar, die auch eine goldgestickte schwarzrote Fahne geführt
hatte.) Einzelne Burschenschafter stellten freilich die kühne Behauptung
auf: daß sich in diesem Banner die schwarzgelben Farben des alten
Reichs, verschönt durch das Rot der Freiheit oder auch des Krieges, er-
neuerten, denn Rot war einst die Kriegsfarbe der Kaiserlichen gewesen; die
Eifrigsten aber wollten von solchen historischen Erinnerungen nichts hören
*) Näheres in Beilage VII.