Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

440 II. 7. Die Burschenschaft. 
Menschenmenge, große Menschenwüste, 
Die umsonst der Geistesfrühling grüßte, 
Reiße, krache endlich, altes Eis! 
Stürz' in starken stolzen Meeresstrudeln 
Hin auf Knecht und Zwingherrn, die dich hudeln, 
Sei ein Volk, ein Freistaat, werde heiß! 
Babels Herrentum und feile Weichheit 
Bricht wie Blitz und Donner Freiheit, Gleichheit, 
Gottheit aus der Menschheit Mutterweh'n. 
Darauf ein kecker Gassenhauer, dessen Kehrreim „Brüder so kann's nicht 
gehn! Volk ins Gewehr!“ noch nach Jahren bei allen Pöbelaufläufen 
in Mitteldeutschland widerhallte. Dann ein Abendmahlslied freier Brü- 
der, das „der ew'gen Freiheit heillgen Märt'rerorden“ schildert, wie er 
mit gezückten Dolchen auf die Hostie schwört: 
Nur die Bürgergleichheit, der Volkswille sei 
Selbstherrscher von Gottes Gnaden — 
und der Nation gebietet: 
Dann, Volk, die Molochsgeister würge, würge! 
Noch deutlicher lautete das Neujahrslied freier Christen, gesungen nach einer 
raschen, leichtfertigen Melodie, die den Text nur noch frecher erscheinen ließ: 
Freiheitsmesser gezückt! 
Hurra! Den Dolch durch die Kehle gedrückt! 
Mit Purpurgewändern, 
Mit Kronen und Bändern 
Zum Rachealtar steht das Opfer geschmückt! 
Und so weiter, immer abgeschmackter, immer wüster, bis zum Schlußverse: 
Nieder mit Kronen, Thronen, Frohnen, Drohnen und Baronen! 
Sturm! 
Unter den hunderten junger Männer, welche diese wütenden Verse 
sangen, mochten die wenigsten sich etwas dabei denken; dem Poeten aber 
war es ganzer Ernst mit seinen Worten. Er hatte sich schon einen Plan 
entworfen, den er mit den Unbedingten wiederholt besprach: da eine Re- 
volution vorderhand unmöglich sei, so müsse man zunächst einige Ver- 
räter ermorden um das zage Volk zugleich zu schrecken und anzufeuern; 
er selber wollte sich diesen vorbereitenden Taten fern halten, nicht aus 
Furcht, sondern weil er dereinst bei der allgemeinen Volkserhebung als 
Führer aufzutreten dachte. Zugleich betrieb er rastlos die Wühlerei im 
Volke. Bei jener Petition um die Ausführung des Art. 13, bei allen 
den Eingaben und Versammlungen, welche den Großherzog von Hessen 
zur Erfüllung des Verfassungsversprechens drängen sollten, hatte Follen 
die Hand im Spiele, und für ihn, den roten Republikaner, konnte dies 
alles nur ein Mittel für größere Zwecke sein; sein Genosse Leutnant 
Schulz in Darmstadt predigte in einem „Frage= und Antwortsbüchlein“ 
den hessischen Bauern offen die Revolution. 
Die Jenenser verhielten sich lange ablehnend gegen das demagogische
	        
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