Follen in Jena. 443
in einem Augenblicke, da die preußische Regierung bis auf einige ver—
einzelte Mißgriffe noch schlechterdings nichts Tadelnswertes getan hatte.
Im Herbst 1818 siedelte Karl Follen als Dozent nach Jena über.
Er wurde der Totengräber der Burschenschaft, er zerstörte den unbe-
fangenen jugendlichen Sinn, der über ihren Anfängen gewaltet hatte.
Vergeblich suchte Fries dem unheilvollen Manne die Wage zu halten;
in den Redekämpfen seines philosophischen Vereins zeigte sich der junge
Dozent dem Professor weit überlegen, die Studenten zogen sich mehr und
mehr von dem gemäßigten Alten zurück. Wohl blieb die Zahl der unmittel-
baren Vertrauten Follens sehr gering, da der gesunde Sinn der Jugend
das Grauen vor dem Apostel des Meuchelmords nicht ganz überwinden
konnte; zu seinen Schülern gehörten vornehmlich sein blind ergebener
Sklave Karl Sand, und Wit von Dörring, ein liederlicher Abenteurer, der
nachher zum Verräter wurde. Doch weit über diesen engen Kreis hin-
aus reichte der verderbliche Einfluß seiner Lehren. Immer lauter ward
über das „Abhacken der Zwingherrnköpfe"“ geredet. Im Laufe des Winters
besetzten die Schwarzen durch einen häßlichen Betrug, da den Unbedingten
ja alles erlaubt war, den Vorstand der Burschenschaft mit ihren Ge-
treuen; dann bildete sich ein Geheimbund, dessen Schwurgenossen nach
der Art der Karbonari in Venten geteilt waren und einander selber zum
Teil unbekannt blieben. Solche Bünde konnten zwar, da der offenherzige
Germane für die geheimen Künste des Verschwörers verloren ist, nicht
über einen törichten Mummenschanz hinaus gelangen; doch unbedenklich
war es nicht, daß so viele einzelne junge Männer in roher Prahlerei mit
dem Gedanken des politischen Verbrechens spielten und von Follen geradezu
die Weisung empfingen: wer sich opfern wolle müsse die befreiende Tat
ohne Mitwisser vollbringen. Als einer der älteren Schwarzen, W. Snell in
diesen Tagen seines Amtes entsetzt wurde, erließen seine hessischen Genossen
an die Unbedingten einen Aufruf zur Unterstützung des Freundes, „damit
die Brut zittern lernt vor der höheren Macht, welche das Racheschwert
nicht schwächer als jetzt den Schild schwingen wird wenn einst die Sünde
den Tag der Rache erweckt.“
Viel Unheil ließ sich noch verhindern, wenn Follen und der eine
oder der andere seiner älteren Genossen rechtzeitig aus Deutschland ent-
fernt wurden; so urteilten in späterer Zeit Männer, welche einst den
Schwarzen angehört hatten. Die Regierungen aber blieben ohne nähere
Kunde von dem unruhigen Treiben und sahen ihm mit scheuer Be-
sorgnis zu. Jene Handvoll Demagogen führte ihr schlechtes Handwerk
fort, und einmal doch mußte der Tag kommen, da die so reichlich ausge-
streute Saat frevelhafter Worte in Halme schoß und irgend ein Unseliger
mit dem Dolche in der Faust die Lehre des politischen Mordes ver-
wirklichte.