Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

488 II. 8. Der Aachener Kongreß. 
Gunst des Königs zu erwerben. Friedrich Wilhelm hatte ihn bisher immer 
mit stillem Mißtrauen betrachtet; er vergaß es nicht, daß Metternich den 
preußischen Staat um Sachsen, die deutsche Nation um das Elsaß betrogen 
hatte. Hier in Aachen zum ersten Male gestattete er dem Verdächtigen eine 
vertrauliche Annäherung. Der König empfand dunkel, daß ein unheim— 
licher Geist in der deutschen Jugend arbeitete und suchte, da er das Maß 
der Gefahr nicht übersah, nach einer zuverlässigen Belehrung, nach einer 
sicheren Stütze. Bei seinem russischen Freunde konnte er keinen Rat 
finden, denn der Zar befand sich selber in einem ähnlichen Zustande 
unbestimmter Besorgnis. Der greise Staatskanzler aber bot ein trauriges 
Bild körperlichen und sittlichen Verfalles. Hardenberg spielte auf dem 
Kongresse eine untergeordnete Rolle, überließ die Geschäfte meist an Bern— 
storff, und der König sah voll Unmuts, wie die Somnambüle Hänel 
hier vor dem hohen Rate Europas ihr Wesen trieb und der Wunder— 
mann Koreff mit der ganzen Aufgeblasenheit des jüdischen Emporkömm— 
lings politische Audienzen erteilte. Nur Metternich erschien fest, sicher, 
ganz mit sich im Reinen, er allein wußte was er wollte; aus seiner Hal- 
tung sprach das Bewußtsein, daß er den ruhigsten, den bestgesicherten 
Staat Europas regiere. Gern wiederholte er jetzt den Ausspruch Talleyrands: 
„Osterreich ist das Oberhaus Europas; solange es nicht aufgelöst ist, 
zwingt es die Gemeinen zur Mäßigung.“ Im vorigen Jahre hatte er 
noch, aus Scheu vor der Souveränität der deutschen Kronen, die konsti- 
tutionelle Bewegung sich selber überlassen wollen. Jetzt war von solchen 
Bedenken keine Rede mehr: die deutschen Jakobiner hatten seit dem Wart- 
burgfeste die Maske fallen lassen, nun galt es offenen Kampf. 
In wiederholten Gesprächen beteuerte er dem Könige: nach seiner 
heiligen Uberzeugung habe die revolutionäre Partei ihre Hochburg in 
Preußen; sie verzweige sich bis in die höchsten Kreise des Heeres und des Be- 
amtentums; in der Hand des Königs liege mithin das Schicksal der 
Welt; unfehlbar werde der Aufruhr durch ganz Europa dahinrasen, wenn 
Preußens Regierung dem Beispiel der kleinen Höfe folge und ihrem Volke 
eine „demagogische Verfassung“ bayrischen Stiles gebe. Er bemerkte wohl, 
daß seine Worte einigen Eindruck machten, doch klagte er bei seinem Kaiser 
über Friedrich Wilhelms bedauerliche Schwäche, da der gesunde Menschen- 
verstand des Königs nicht sogleich an alle die Wahngebilde der österreichi- 
schen Gespensterfurcht glauben wollte. Unterdessen suchte Metternich auch 
den Kabinettsrat Albrecht, einen treuen, fleißigen, hochkonservativen Be- 
amten, für seine Ansicht zu gewinnen und rief sodann den zuverlässigsten 
seiner preußischen Freunde, Wittgenstein, zu Hilfe. Am 14. Nov. sendete 
er dem Fürsten von Aachen aus zwei große Denkschriften „über die Lage 
der preußischen Staaten“; beide Aktenstücke waren bestimmt, zur guten 
Stunde durch Wittgenstein dem Könige vorgelegt zu werden, doch erhielt 
auch Hardenberg anstandshalber eine vertrauliche Mitteilung. Von
	        
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