Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der erste bayrische Landtag. 501 
habe dem Monarchen die Männer zu bezeichnen, denen er sein Vertrauen 
schenken solle. Das alles blieb verlorene Arbeit, vergrub sich in der 
Masse der aufgetürmten Materialien. — 
Während also das Schicksal der preußischen Verfassung noch ganz im 
Dunkel lag, liefen aus den neuen konstitutionellen Staaten des Südens 
bedenkliche Nachrichten ein. In München wie in Karlsruhe war der Land— 
tag zum ersten Male zusammengetreten, und hier wie dort bestand der 
Parlamentarismus seine Probe recht unglücklich. Am Münchener Hofe 
hielt die Entrüstung über die Beschlüsse des Aachener Kongresses noch 
lange an; waren die pfälzischen Pläne der Wittelsbacher gescheitert, so 
sollten die großen Mächte zum mindesten erfahren, daß Bayern sich selbst 
genüge und dem ganzen Deutschland das glänzende Beispiel verfassungs— 
mäßiger Freiheit gebe. Mit der Ruhmredigkeit, welche den bayrischen Hof 
auszeichnete, eröffnete der König am 5. Februar den Landtag: nun sei 
vollendet, was er schon vor der Bundesakte geplant habe; und als er 
die dankbare Adresse seiner Stände in Empfang nahm, nannte er diesen 
Tag den glücklichsten seines Lebens. Die Nation blickte anfangs mit 
Spannung auf die unerhörten Auftritte in München, denn es war die 
erste öffentliche Ständeversammlung der deutschen Geschichte. Die Kammer 
der Reichsräte tagte freilich geheim und nannte selbst in den dürftigen 
veröffentlichten Protokollen die Namen nicht, so daß die Leser es bald müde 
wurden zu enträtseln, was „ein Herr Reichsrat“ gesagt und „ein anderer 
Herr Reichsrat“ erwidert hatte. Aber auch die Teilnahme für die 
zweite Kammer erkaltete schnell, denn die Zahl der rednerischen Talente 
war gering, und die Debatten, obwohl keineswegs arm an Kundgebungen 
urwüchsiger Grobheit, entbehrten doch des dramatischen Reizes, da die 
schwerfällige Geschäftsordnung die Redner nur nach einer festbestimmten 
Reihenfolge zu Worte kommen ließ. 
Politische Parteien bestanden noch nicht; die staatsbildende Kraft 
dieses Königreichs war so schwach, daß die Abgeordneten sich zumeist in 
kleine Landsmannschaften zerspalteten. Selbst die Würzburger und die 
Aschaffenburger wollten einander noch kaum als Landsleute gelten lassen, 
während die Ansbacher und die Bayrenther als gute Brandenburger zu- 
sammenhielten; vornehmlich die Pfälzer sonderten sich, im Vollgefühle 
ihrer französischen Freiheit, mißtrauisch von den anderen ab. Als feu- 
riger Redner tat sich vor allen der Würzburger Behr hervor, der Lieb- 
ling seiner fränkischen Landsleute, ein ehrlicher radikaler Doktrinär, der 
in seinen staatsrechtlichen Schriften die Lehren Rottecks noch überbot und 
sogar den Monarchen persönlich der Strafgewalt der Volksvertreter unter- 
werfen wollte. Auch der Bamberger Bürgermeister von Hornthal, ein ge- 
wandter Advokat jüdischen Stammes, war bei Sieyes und der Ver- 
fassung von 1791 in die Schule gegangen, ein flacher Kopf von geringer 
Bildung, aber betriebsam, kaltblütig, nie verlegen, und reich gesegnet mit
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.