Verfassungseid des bayrischen Heeres. 503
genommen. Dagegen standen die Bayern in ihrer volkswirtschaftlichen
Bildung hinter den Preußen noch weit zurück; die Rechtsverwahrungen
der altbayrischen „realen“ Gewerbsmeister fanden bei der Kammer freund-
liches Gehör, nur eine kleine Minderheit schloß sich den Pfälzern an, die
ihre heimische Gewerbefreiheit eifrig verteidigten. Noch geringer war
das Verständnis für die Selbstverwaltung. Auf verwaltende Kreisver-
sammlungen, wie sie Preußen besaß, wagte dies an die Allmacht seiner
Landrichter gewöhnte Volk noch gar nicht zu hoffen. Der auf unmaß-
geblichen Beirat beschränkte napoleonische Generalrat, der in der Pfalz
unter dem Namen „Landrat“ fortbestand, galt den Altbayern schon als
ein Ideal, und selbst diese bescheidene Reform vermochte man in den
rechtsrheinischen Provinzen noch nicht durchzusetzen.
Uberhaupt standen die praktischen Ergebnisse dieses Landtags außer
allem Verhältnis zu dem Aufwand großer Worte. Das Wichtigste blieb,
daß der wackere Finanzminister Lerchenfeld die so lange verschleierte Lage
des Staatshaushalts endlich aufdeckte. Es stellte sich ein Jahresdefizit
von 3½ Mill. fl. heraus und eine Schuldenlast von mehr als 105 Mill.,
eine gewaltige Last für das verkehrsarme Land, die erst nach harten
Kämpfen mit dem Partikularismus der neuen Provinzen als gemeinsame
Staatsschuld des gesamten Königreichs anerkannt wurde. Der größte
Teil dieser Summen war infolge der Kriegsnöte aufgenommen worden;
wieviel aber die Verschwendung der Krone hinzugesündigt, dies erfuhr
niemand, denn die Regierung weigerte sich über die Verwaltung der ab-
solutistischen Epoche im einzelnen Rechenschaft abzulegen, da der gut-
herzige Max Joseph, der in Geldsachen immer ein Kind blieb, erst
neuerdings von den französischen Entschädigungsgeldern unbedenklich 3,4
Mill. Fr. an seine Söhne und Töchter verschenkt hatte.)
Dem Könige war der Landtag schon nach wenigen Tagen verleidet;
es kam ihm vor wie heller Aufruhr, daß seine Beamten jetzt den Unter-
tanen Rede stehen sollten. Sein Mißmut steigerte sich zu hellem Zorne
als Hornthal die Vereidigung des Heeres auf die Konstitution verlangte
und mit dreister Stirn versicherte, dieser offenbar verfassungswidrige An-
trag bezwecke nur die Ausführung einer Vorschrift des Grundgesetzes.
Damit war zum ersten Male ein unbegreiflicher Irrtum ausgesprochen,
der seitdem während eines Menschenalters ein Lieblingssatz der liberalen
Parteien geblieben ist. Befangen in dem modischen Hasse gegen die
stehenden Heere wollten die Konstitutionellen schlechterdings nicht einsehen,
daß ein debattierendes Heer der schlimmste Feind der Freiheit ist und das
Recht des Bürgers nur da gesichert bestehen kann, wo die bewaffnete Macht
keinen eigenen Willen hat. Mit der größten Zuversicht, als verstände sich
der Unsinn ganz von selbst, stellte Behr die Behauptung auf: „gibt es
*) Zastrows Bericht, 17. Febr. 1819.