534 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
Osterreich anstecken konnten. Mit zynischer Offenheit sprach er aus, daß
man die Furcht dieser schwachen Regierungen benutzen müsse, und bevoll-
mächtigte seine Staatsmänner, nötigenfalls mit dem Austritt Osterreichs
aus dem Bunde zu drohen.
Preußen war endlich gewonnen. Auf die alten Freunde, die Hoch-
torys von England-Hannover, durfte man sich verlassen, da Graf Münster
zu den festen Stützen der reaktionären Politik zählte und das englische
Parlament sich um Deutschlands innere Angelegenheiten selten bekümmerte.
Münster vergaß es nicht, wie ungezogen sich die Jenenser Burschen kürz-
lich, bei seiner zufälligen Durchreise, gegen ihn benommen hatten, und alle
englischen Diplomaten schworen darauf, daß ganz Deutschland für den
politischen Meuchelmord schwärme.)) Auch von Rußland stand kein Wider-
spruch zu befürchten. Zwar Kapodistrias, der gerade in einem italieni-
schen Bade verweilte, erschien den Osterreichern noch immer hochverdäch-
tig, er hatte soeben eine Einladung Metternichs ausgeschlagen, weil er
peinliche Auseinandersetzungen vermeiden wollte. Aber die Ansichten des
Griechen galten in jenem Augenblicke am Petersburger Hofe wenig neben
den Ratschlägen Nesselrodes, der immer mit Metternich übereinstimmte
und den deutschen Gesandten beharrlich wiederholte: unbegreiflich, daß
eine so geistvolle Nation die gefährliche Ausnahmestellung ihrer Universi-
täten fortbestehen lassel Um ein übriges zu tun, schrieb Kaiser Franz
persönlich an den Zaren, sprach ihm wegen der Ermordung Kotzebues
sein Beileid aus, und beschwerte sich zugleich über den Erzieher Alexanders,
Laharpe, weil dieser in Italien den Namen seines kaiserlichen Zöglings
mißbrauche, die römischen Unzufriedenen im Namen Rußlands aufstachele.
Dieser kaiserlichen Denunziation wollte der Zar freilich keinen Glauben
schenken; die deutschen Zustände aber beurteilte er wie Nesselrode. Er
empfand den Russenhaß, der aus den Angriffen der Jenenser gegen
Kotzebue und Stourdza sprach, wie eine persönliche Beleidigung und
tadelte lebhaft, daß Karl August die Untersuchungen gegen die Demagogen
so schlaff betreibe."') Genug, der österreichische Hof hatte völlig freie Hand
für den Kampf wider die deutsche Revolution. —
Eine Zeitlang schien es, als ob der erste Schlag durch den Bundes-
tag geführt werden sollte. Bei allem Wohlwollen hatte Großherzog Karl
August nach Sands Tat seiner Hochschule einige harte Maßregeln nicht
ersparen können. Er befahl eine strengere Handhabung der Disziplin
und verordnete, daß Ausländer bis auf weiteres nur mit besonderer Er-
laubnis ihrer Regierungen zugelassen werden sollten, weil der Geist der
Studenten „hie und da eine verderbliche Richtung nehme, und von frem-
*) Entschuldigungsschreiben der Jenenser Burschenschaft an Graf Münster, Juli
1819. Bericht des großh. sächs. Residenten von Cruickshank, Berlin 28. Juli 1819.
*?) Krusemarks Berichte, 21. Mai, 30. Juni; Blittersdorffs Berichte, Petersburg
21. April, 30. Mai 1819.