Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

584 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe. 
wurde, rasch entschlossen die Hände auf die Akten und erklärte im Namen 
des Königs: das Vergangene sei abgetan, nur über die Annahme der 
Karlsbader Beschlüsse dürfe jetzt noch beraten werden.)) Dergestalt war 
der Angriff auf Rechberg abgeschlagen, und nach neuem lebhaften Streite 
einigten sich die beiden Parteien des Ministeriums über ein kümmerliches 
Kompromiß. Die Karlsbader Beschlüsse wurden veröffentlicht, aber mit 
dem Zusatze: sie sollten gelten „mit Rücksicht auf Unsere Souveränität, 
nach der Verfassung und den Gesetzen Unseres Königreichs.“ Nur die 
Exekutionsordnung, deren Handhabung freilich nicht der Krone Bayern, 
sondern dem Bunde zustand, wurde in der Bekanntmachung ausgelassen; 
auch sollte die Zensur, der bayrischen Verfassung gemäß, sich nur auf 
politische Zeitschriften erstrecken. 
Wenn jener Vorbehalt überhaupt einen Sinn haben sollte, so be- 
deutete er die Lossagung Bayerns von den Beschlüssen, welchen der Mün- 
chener Hof bereits zweimal, in Karlsbad wie in Frankfurt, feierlich zuge- 
stimmt hatte. Sofort rüsteten sich die beiden Großmächte zur Abwehr; 
und nach den Staatsstreichsplänen, welche die bayrische Krone ihnen kürz- 
lich vorgelegt, erschien der Vorbehalt in der Tat unehrenhaft. Kaiser 
Franz sprach dem bayrischen Gesandten persönlich sein Befremden aus,“) 
sendete seinem Schwiegervater einen eigenhändigen Brief um ihn vor den 
Umtrieben „der Partei“ zu warnen, gab seinem Gesandten in München 
strenge Weisungen. Noch kräftiger legte sich Bernstorff ins Zeug. „Wenn 
die bayrische Regierung daran zurückdenkt“ — so schrieb er am 1. November 
an Zastrow — „in welchem Gedränge sie sich noch vor wenig Monaten 
befand, welchen Rat sie damals von uns begehrte, und in welchem Maße 
der Wunsch, ihr für die Zukunft einen festen Standpunkt gegen unbefugte 
Anmaßung zu geben, bei den Karlsbader Beschlüssen mitgewirkt hat,“ so 
wird sie unsere Verwunderung begreifen; will sie sich „von dem Bunde 
trennen und sich für künftige Fälle auf ihre eigene, vielleicht nicht immer 
zureichende Kraft beschränken“, so müssen wir mit den gleichgesinnten Bun- 
desstaaten zu Rate gehen um „diesem ersten Abweichen von den Bundes- 
beschlüssen“ entgegenzutreten. Als General Zastrow diese gleichzeitig nach 
Wien mitgeteilte und dort mit freudiger Dankbarkeit begrüßte Weisung dem 
bayrischen Minister vorlas,"*) da fühlte sich Graf Rechberg tief zerknirscht 
und bat den Preußen, ihm eine Note zu übergeben, die er seinen Amts- 
genossen vorlegen könne. Zastrow willfahrte der Bitte (8. Nov.), und nun- 
mehr brach der bayrische Heldenmut jählings zusammen. In einer demü- 
tigen Antwort erklärte Rechberg, sein König „habe nie dem Gedanken Raum 
  
*) Zastrows Berichte, 9., 20. Okt., 23. Dez. 1819. Näheres in Beilage IX. 
*) Krusemarks Bericht, 30. Okt. 1819. 
*P.*) Bernstorff, Weisung an Zastrow, 1. Nov., an Krusemark, 2. Nov.; Krusemarks 
Bericht, 10. Nov. 1819.
	        
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