Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der neue preußische Verfassungsausschuß. 591 
bundene Gemeinde für die Sache Gottes und der Wahrheit, und sie ist 
Ihr Werk." Was man in Wien unter der Sache Gottes und der Wahr- 
heit verstand, darüber wurden die Deutschen in der Weihnachtszeit noch 
einmal gründlich belehrt. Eben in diesen Tagen, da die deutschen Dema- 
gogen in den Kerker wanderten, setzte Kaiser Franz den General Mack, 
der einst bei Ulm kapituliert hatte, in alle seine Ehren und Würden wieder 
ein. Durch „ein Ubermaß kaiserlicher Gnade“ — wie General Krusemark 
nicht umhin konnte zu bemerken — wurde dem Helden auch noch der ge- 
samte Gehalt, den man ihm seit dem Ulmer Ruhmestage vorenthalten, 
nachträglich ausbezahlt.)) — 
  
Ungleich wertvoller als die freundliche Haltung der fremden Mächte 
wurde für die Hofburg ein Kampf im preußischen Ministerium, der zwar 
nur mittelbar mit den Karlsbader Beschlüssen zusammenhing, aber mit 
einem Sieg der österreichischen Partei endigte. Frohen Mutes war der 
Staatskanzler am 5. August nach Glienicke zurückgekehrt; er meinte sich 
durch den Teplitzer Vertrag das Vertrauen des Königs von neuem ge- 
sichert zu haben und schritt jetzt hoffnungsvoll an die Vollendung seiner 
Reformpläne. Die neuen Steuer= und Staatsschuldengesetze waren dem 
Abschluß nahe; Hardenberg wünschte auch Steins Urteil darüber zu ver- 
nehmen, erkannte ihn in einem gewinnenden Briefe willig als seinen Meister 
im Finanzfache an und bat ihn freundlich: „Warum können wir nicht 
zusammen arbeiten?" Der stolze Reichsfreiherr aber blieb unwandelbar 
in seinem Hasse, überschüttete die Hardenbergischen Entwürfe, die er gar 
nicht kannte, mit leidenschaftlichem Tadel. Mittlerweile erhielt auch der 
Verfassungsplan seine endgültige Gestalt. Die bösen Zungen der Haupt- 
stadt erzählten freilich mit großer Zuversicht, der Staatskanzler denke 
längst nicht mehr an seine konstitutionellen Pläne; man versicherte allgemein, 
auf die erste Nachricht von Kotzebues Ermordung hätte er ausgerufen: 
„nun ist eine Verfassung für Preußen unmöglich!“ Einen Ohrenzeugen 
wußte jedoch niemand zu nennen; das geflügelte Wort war entweder er- 
funden oder nur ein unwillkürlicher Ausruf des ersten jähen Schreckens. 
Sicher bleibt, daß Hardenberg gerade jetzt, unter den ungünstigsten Ver- 
hältnissen, die Verfassungsarbeit wieder aufnahm. Am 11. August legte 
er dem König seinen letzten Entwurf vor, eine etwas erweiterte Aus- 
führung des von Metternich in Teplitz gebilligten Planes; und nach neuen 
vertraulichen Beratungen in Charlottenburg, zu denen auch Witzleben 
zugezogen wurde, befahl Friedrich Wilhelm nochmals, daß aus der Ver- 
fassungskommission des Staatsrats ein Ausschuß gebildet werden sollte, 
um die Verfassung nach Hardenbergs Vorschlägen auszuarbeiten. Mit- 
glieder waren außer dem Staatskanzler selbst: Humboldt, Schuckmann, 
*) Krusemarks Bericht, 13. Dez. 1819. 
 
	        
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