E. M. Arndt und Wrede. 633
angeklopft, erhielt ich endlich aus Breslau durch die Güte des Herrn Trchivdirektors
Grünhagen, und gleichzeitig aus Ols mehrere Mitteilungen, welche, im wesentlichen
übereinstimmend, den Bericht Arndts vollständig widerlegen. Daß der Alte seine so zu-
versichtlich verteidigte Erzählung nicht einfach aus der Luft gegriffen haben kann, wird
jedem Unbefangenen einleuchten. Wenn irgend wer, so darf doch sicherlich Arndt die
Vermutung der bona üfides für sich in Anspruch nehmen. Man lese nur in Heilmanns
Werke die unglaublich brutalen Briefe, in denen Wrede seine Wut gegen diesen Teufel,
diesen Narren von Stein ausspricht; ein so maßloser Haß läßt sich aus der politischen
Gegnerschaft der beiden Männer allein kaum erklären. Aber wie ist Arndt zu seinem
Irrtum gelangt? Hat Wrede an anderen Orten Gewalttaten verübt, welche ihm den
in Schlesien einst weit verbreiteten Beinamen des Löffeldiebs verschafften? Oder war er
ganz schuldlos an diesem üblen Leumund, und Arndt hätte etwa zwei verschiedene Per-
sonen verwechselt? Ich vermag das nicht zu entscheiden. Wie mir aus München mit-
geteilt wird, diente damals im bayrischen Heere auch ein Oberstleutnant Wrede, von
dem aber gar nichts bekannt ist. Genug, die gegen Wrede erhobene Beschuldigung ist,
wie sie vorliegt, durchaus falsch.
Ich habe vor mir das Promemoria eines verstorbenen herzoglich braunschweigischen
Beamten, der die Zeit seit 1806 als junger Mann im Olser Schlosse verlebte und im
Juli 1858, infolge des durch Arndts „Wanderungen“ erregten Zeitungslärms, amtlich
vernommen wurde. Nach diesem Berichte, der durch die Aussagen anderer gleichzeitig
verhörter Beamten durchweg bestätigt wird, haben Prinz Jerome Napoleon und General
Lefevre im Dezember 1806, zu der Zeit, da die Belagerung von Breslau begann, einige
Tage lang im Schlosse Sls ihr Hauptquartier gehalten; mit ihnen kamen französische
und bayrische Truppen. In diesen Tagen — also nicht im Februar 1807 — wurden
ein Teil des Silberzeugs und der Schimmelzug des Herzogs geraubt. Die Täter
blieben unbekannt. Alle Berichte klagen übereinstimmend über die Roheit der bayrischen
Truppen, aber keiner weiß anzugeben, ob Franzosen oder Bayern bei dem Raube be-
teiligt waren. Gewiß ist nur, daß Wrede damals noch in Bayern weilte. Die nämliche
Denkschrift versichert sodann auf das Bestimmteste, daß seitdem niemals mehr ein bayrischer
General auf dem Schlosse im Quartier gelegen hat. Damit fällt Arndts Erzählung
zusammen.
So lebhaft ich bedauere, daß der Sachverhalt erst jetzt bekannt wird, in einem
Augenblicke, da Arndt sich über die Gründe seines Irrtums nicht mehr erklären kann,
ebenso willkommen ist es mir, dem Biographen Wredes einen kleinen Beitrag für eine
neue Ausgabe seines Buchs zu bieten. Vielleicht erkennt er jetzt, daß wir preußischen
Wilden doch bessere Menschen sind. Er sagt nach seiner sanften Weise, Arndts „infame
Lüge werde aller historischen Wahrheit und aller Moralität zum Hohn“ immer wiederholt
werden. Mit Verlaub, sie wird es nicht — seit die Grundlosigkeit der Beschuldigung
endlich erwiesen ist. So lange aber der Erzählung Arndts nichts weiter entgegenstand
als die willkürliche und — falsche Behauptung, daß der Raub im Februar 1807 geschehen
sein sollte: ebenso lange war jeder Historiker berechtigt, den Bericht eines Buches, das
zu den besten und zuverlässigsten Werken unserer Memoiren-Literatur zählt, für wahr
zu halten. Die Schuld jener napoleonischen Tage ist durch treue Waffenbrüderschaft längst
gesühnt; wir haben die Wiederkehr der alten Bruderkämpfe nicht mehr zu fürchten. Es
wird hohe Zeit, daß wir alle eine für immer überwundene Vergangenheit mit einigem
Gleichmut betrachten. Auch die Bayern sollten endlich lernen über die Sünden ihrer
Rheinbundszeit ebenso unbefangen zu sprechen, wie schon längst jeder verständige Preuße
über das Jahr 1806 redet. Daran fehlt leider noch viel. Als Gustav Freytag vor
kurzem in dem letzten Bande seiner „Ahnen“ das Verhalten der Bayern in Schlesien
durchaus der historischen Wahrheit gemäß darstellte, da mußte er von der bayrischen
Presse die gröbsten Beleidigungen hinnehmen. So hat sich auch General Heilmann durch
seinen bayrischen Ubereifer um einen Erfolg gebracht, den ich einem so tüchtigen Forscher