Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

E. M. Arndt und Wrede. 633 
angeklopft, erhielt ich endlich aus Breslau durch die Güte des Herrn Trchivdirektors 
Grünhagen, und gleichzeitig aus Ols mehrere Mitteilungen, welche, im wesentlichen 
übereinstimmend, den Bericht Arndts vollständig widerlegen. Daß der Alte seine so zu- 
versichtlich verteidigte Erzählung nicht einfach aus der Luft gegriffen haben kann, wird 
jedem Unbefangenen einleuchten. Wenn irgend wer, so darf doch sicherlich Arndt die 
Vermutung der bona üfides für sich in Anspruch nehmen. Man lese nur in Heilmanns 
Werke die unglaublich brutalen Briefe, in denen Wrede seine Wut gegen diesen Teufel, 
diesen Narren von Stein ausspricht; ein so maßloser Haß läßt sich aus der politischen 
Gegnerschaft der beiden Männer allein kaum erklären. Aber wie ist Arndt zu seinem 
Irrtum gelangt? Hat Wrede an anderen Orten Gewalttaten verübt, welche ihm den 
in Schlesien einst weit verbreiteten Beinamen des Löffeldiebs verschafften? Oder war er 
ganz schuldlos an diesem üblen Leumund, und Arndt hätte etwa zwei verschiedene Per- 
sonen verwechselt? Ich vermag das nicht zu entscheiden. Wie mir aus München mit- 
geteilt wird, diente damals im bayrischen Heere auch ein Oberstleutnant Wrede, von 
dem aber gar nichts bekannt ist. Genug, die gegen Wrede erhobene Beschuldigung ist, 
wie sie vorliegt, durchaus falsch. 
Ich habe vor mir das Promemoria eines verstorbenen herzoglich braunschweigischen 
Beamten, der die Zeit seit 1806 als junger Mann im Olser Schlosse verlebte und im 
Juli 1858, infolge des durch Arndts „Wanderungen“ erregten Zeitungslärms, amtlich 
vernommen wurde. Nach diesem Berichte, der durch die Aussagen anderer gleichzeitig 
verhörter Beamten durchweg bestätigt wird, haben Prinz Jerome Napoleon und General 
Lefevre im Dezember 1806, zu der Zeit, da die Belagerung von Breslau begann, einige 
Tage lang im Schlosse Sls ihr Hauptquartier gehalten; mit ihnen kamen französische 
und bayrische Truppen. In diesen Tagen — also nicht im Februar 1807 — wurden 
ein Teil des Silberzeugs und der Schimmelzug des Herzogs geraubt. Die Täter 
blieben unbekannt. Alle Berichte klagen übereinstimmend über die Roheit der bayrischen 
Truppen, aber keiner weiß anzugeben, ob Franzosen oder Bayern bei dem Raube be- 
teiligt waren. Gewiß ist nur, daß Wrede damals noch in Bayern weilte. Die nämliche 
Denkschrift versichert sodann auf das Bestimmteste, daß seitdem niemals mehr ein bayrischer 
General auf dem Schlosse im Quartier gelegen hat. Damit fällt Arndts Erzählung 
zusammen. 
So lebhaft ich bedauere, daß der Sachverhalt erst jetzt bekannt wird, in einem 
Augenblicke, da Arndt sich über die Gründe seines Irrtums nicht mehr erklären kann, 
ebenso willkommen ist es mir, dem Biographen Wredes einen kleinen Beitrag für eine 
neue Ausgabe seines Buchs zu bieten. Vielleicht erkennt er jetzt, daß wir preußischen 
Wilden doch bessere Menschen sind. Er sagt nach seiner sanften Weise, Arndts „infame 
Lüge werde aller historischen Wahrheit und aller Moralität zum Hohn“ immer wiederholt 
werden. Mit Verlaub, sie wird es nicht — seit die Grundlosigkeit der Beschuldigung 
endlich erwiesen ist. So lange aber der Erzählung Arndts nichts weiter entgegenstand 
als die willkürliche und — falsche Behauptung, daß der Raub im Februar 1807 geschehen 
sein sollte: ebenso lange war jeder Historiker berechtigt, den Bericht eines Buches, das 
zu den besten und zuverlässigsten Werken unserer Memoiren-Literatur zählt, für wahr 
zu halten. Die Schuld jener napoleonischen Tage ist durch treue Waffenbrüderschaft längst 
gesühnt; wir haben die Wiederkehr der alten Bruderkämpfe nicht mehr zu fürchten. Es 
wird hohe Zeit, daß wir alle eine für immer überwundene Vergangenheit mit einigem 
Gleichmut betrachten. Auch die Bayern sollten endlich lernen über die Sünden ihrer 
Rheinbundszeit ebenso unbefangen zu sprechen, wie schon längst jeder verständige Preuße 
über das Jahr 1806 redet. Daran fehlt leider noch viel. Als Gustav Freytag vor 
kurzem in dem letzten Bande seiner „Ahnen“ das Verhalten der Bayern in Schlesien 
durchaus der historischen Wahrheit gemäß darstellte, da mußte er von der bayrischen 
Presse die gröbsten Beleidigungen hinnehmen. So hat sich auch General Heilmann durch 
seinen bayrischen Ubereifer um einen Erfolg gebracht, den ich einem so tüchtigen Forscher
	        
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