Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

6 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
Diktator auftreten durfte. Seine Absicht, das Repräsentativsystem überall 
durch landständische Verfassungen zu verdrängen, war in Karlsbad ge- 
scheitert; um wie viel weniger konnte sie hier in Wien durchdringen, auf 
umständlichen, förmlichen Ministerconferenzen, wo die Künste der Ein- 
schüchterung und der Ueberraschung nichts ausrichteten. Er fügte sich also 
klug in die Umstände und gab schon dem Einladungsschreiben, das am 
16. Oktober an die kleinen Souveräne abging, eine bescheidene, unver- 
fängliche Form: nur „eine vorbereitende Rücksprache“ zwischen den deut- 
schen Regierungen sei beabsichtigt, damit der Bundestag für die wichtigen 
Beschlüsse, welche Graf Buol am 20. September angekündigt, überein- 
stimmende Instruktionen erhalte.“) 
Als nun in der zweiten Hälfte des Novembers die geladenen Be- 
vollmächtigten aller siebzehn Stimmen des engeren Rathes sich bei ihm 
meldeten, da fand er die meisten wohlgesinnt, bereit zu Allem, was den 
Bestand des „monarchischen Princips“ irgend befestigen konnte, aber auch 
voll Furcht vor einer neuen Schmälerung ihrer Souveränität, und willig 
ging er auf die versöhnlichen Rathschläge ein, welche ihm Bernstorff in 
vertraulichen Vorbesprechungen ertheilte. Die Beiden wurden einig, von 
den September-Beschlüssen „nicht um ein Haar“ abzuweichen, auch keine 
erneute Besprechung des Geschehenen zu gestatten; fortan aber sollte sich 
die Karlsbader Politik „in den Grenzen des Ausführbaren“ halten, auf 
dem Wege des „Glimpfs und der Eintracht“ nach einer Ausgleichung mit 
den anders gesinnten Bundesgenossen streben, bei der schwierigen Aus- 
legung des Art. 13 zugleich das monarchische Princip und die Bundes- 
einheit sichern und doch Schonung üben gegen die Staaten, welche bei ihrem 
Verfassungswerk „jene doppelte Rücksicht großentheils schon aus den Augen 
verloren hatten“.*") Um den Argwohn der kleinen Höfe von vornherein 
zu beschwichtigen, erging sich Metternich in brünstigen Betheuerungen seiner 
Bundestreue: die Bundesakte, so versicherte er gleich in der ersten Sitzung, 
sei für den Wiener Hof schlechthin heilig; selbst wenn sich ein Sprach- 
fehler darin nachweisen ließe, würde Kaiser Franz niemals ein Wort in 
dieser heiligen Urkunde abändern lassen. Damit war unzweideutig an- 
gekündigt, daß Oesterreich eine willkürliche Verstärkung der Bundesgewalt, 
wie sie in Karlsbad beschlossen worden, für jetzt nicht wieder beabsichtige. 
Die Vertreter der beiden Großmächte erwarteten anfangs eine leb- 
hafte Opposition von Seiten Baierns und Württembergs, doch sahen sie 
sich bald angenehm enttäuscht. *) Der bairische Bevollmächtigte, Zentner 
  
*) Metternich an Berstett, 16. Okt. 1819, nebst Einladungsschreiben an die Groß- 
herzöge von Hessen u. s. w. 
*) Bernstorff's Bericht, 24. Nov.; Bernstorff an Ancillon, 23. Nov. 1819, an 
Goltz, 25. März 1820. 
***) Bernstorff's Berichte, 30. Nov., 7. Dec.; Bernstorff an Ancillon, 30. Nov. 1819.
	        
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