Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

8 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
mochte die Stuttgarter Politik nie zu handeln. Als Gehilfe, ohne Stimm- 
recht, wurde dem harmlosen Gesandten der Freiherr v. Trott beigegeben, 
ein liberaler Rheinbundsbureaukrat, wie der Schwabenkönig sie liebte, 
gescheidt, thätig, ehrgeizig. Er galt seit einigen Monaten für den nächsten 
Vertrauten König Wilhelm's; freilich wußte Niemand zu sagen, wie lange 
dies Glück währen würde, da die Rollen am Stuttgarter Hofe sehr rasch 
zu wechseln pflegten. In Wien fand er von vornherein eine üble Auf- 
nahme, weil er als Bonapartist verrufen war und den Triasplänen 
Wangenheim's nahe stand; der kurhessische Gesandte Münchhausen wei- 
gerte sich sogar mit ihm gemeinsam zu berathen, der einst als Präfekt 
unter König Jerome gedient hatte. Also von allen Seiten beargwöhnt, 
und überdies mit seinem Vorgesetzten persönlich verfeindet, vermochte Trott 
auf den Conferenzen keine Rolle zu spielen; nur zuweilen, wenn von 
Stuttgart her ein kleines Ränkespiel eingeleitet wurde, trat er aus dem 
Dunkel heraus.) 
Unter den übrigen Bevollmächtigten ragte der darmstädtische Minister 
Freiherr du Thil hervor, ein scharfer staatsmännischer Kopf, der als 
streng conservativer Monarchist verrufen, gleichwohl die praktischen Ziele 
der nationalen Politik und den deutschen Beruf des preußischen Staates 
freier, richtiger beurtheilte als die Mehrzahl der Liberalen; er erwarb sich 
hier bei den preußischen Staatsmännern ein Ansehen, das dereinst noch 
für Deutschlands Einheit seine Früchte tragen sollte.) Aber auch er 
zeigte sich immer bedenklich, so oft von erweiterten Befugnissen des Bun- 
des die Rede war. Aehnlich dachten die meisten anderen Minister, bis 
herab zu dem wackeren Fritsch, der die ernestinischen Höfe vertrat, und 
dem Senator Hach, dem Bevollmächtigten der freien Städte. Und diese 
Gesinnung der Staatsmänner entsprach unzweifelhaft der Meinung der 
Nation. 
Es war der Fluch der Karlsbader Politik, daß jede Verstärkung der 
Bundesgewalt nunmehr als eine Gefahr für die bürgerliche Freiheit be- 
trachtet wurde. In einem Volke, das den nationalen Stolz, den Gedanken 
des Vaterlandes kaum erst wiederzufinden begann, mußte der Particularis- 
mus unvermeidlich mit verjüngter Kraft erwachen, nachdem die Politik der 
Centralisation sich auf falsche Ziele gerichtet hatte. Eben in diesen Tagen 
veröffentlichte der Führer der fränkischen Liberalen, W. J. Behr in Würz- 
burg eine Schrift über „die Einwirkung des Bundes auf die Verfassung 
seiner Gliederstaaten“, die in der Presse warmen Beifall fand und die 
liberalen Durchschnittsansichten treulich wiedergab. Hier ward die particu- 
laristische Doktrin des Münchener Hofes noch weit überboten. Kein Wort 
mehr von einer deutschen Nation, von allen den großen Culturaufgaben, 
  
*) Einiges Nähere bei Aegidi, die Schlußakte der Wiener Ministerial-Conferenzen 
II. 62. *) Otterstedt's Bericht, Darmstadt 10. Juni 1820 ff.
	        
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