228 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
übertrieben. Hardenberg prangt als ein Bannerträger des Parlamentaris-
mus, der Ideen der Revolution; Wilhelm von Württemberg, der Feind
der Ostmächte empfängt warmes Lob. Mit Stolz wird die Thatsache ver—
zeichnet, daß nunmehr auch Preußen sich bekenne zu dem obersten Grund—
satze constitutioneller Freiheit: „der König hat nicht zu handeln, er hat
nur die Männer zu wählen, welche handeln sollen.“ Zum Schluß die
jubelnde Versicherung: „die große Revolution ist vollendet, die Entmuthigung
wäre heute nicht mehr bloß Schwäche, sondern Thorheit. Die gesittete
Welt erträgt nur noch freie Völker und constitutionelle Monarchen.“
Es war ein tolles Mißverständniß; schlagender konnte der französische
Doktrinär nicht beweisen, wie wenig er den preußischen Staat kannte und
wie unberufen er ihm Rathschläge ertheilte. In Laibach aber zeigten sich
die beiden Kaiser höchlich entrüstet. Metternich schrieb sogleich nach Berlin
um die exemplarische Bestrafung „eines so ausgezeichneten Frevels“ zu
beantragen, und Gentz donnerte im Oesterreichischen Beobachter wider „die
betrügerischen Kunstgriffe, die schmutzig politisch-literarische Gaunerei der
revolutionären Faktion"“. Was half es, daß der Staatskanzler sogleich
in den französischen Blättern eine Verwahrung erscheinen ließ? Eine
gerichtliche Verfolgung gegen Constant war aussichtslos, weil sich bald
herausstellte, daß er zwar sehr leichtsinnig, aber in gutem Glauben ge-
handelt hatte.) So blieb er unbelästigt, und das Gezisch der bösen Zungen
verstummte nicht. Da man im Volke von Hardenberg's ständischem Ver-
fassungsplane nichts ahnte, so wiederholten Freund und Feind jahrzehnte-
lang das Märchen, daß der Staatskanzler eine Charte nach französischem
Muster geplant und bei den Schriften Benzenberg-Constant's insgeheim
mitgeholfen habe.
Doch was sollten solche Mückenstiche bedeuten neben dem wuchtigen
Schlage, welchen der Kronprinz und Wittgenstein mittlerweile gegen die
Grundlagen des Hardenbergischen Verfassungsplanes geführt hatten? Die
zur Prüfung der Communalordnungs-Entwürfe eingesetzte Commission
war am 19. März mit ihrem Berichte zu Stande gekommen; sie bean-
tragte, wie sich voraussehen ließ, die Verwerfung der sämmtlichen Entwürfe
und fügte den Vorschlag hinzu: der König möge vorläufig von der Ver-
kündigung einer Gesammtstaatsverfassung absehen und zunächst nur eine
neue Commission berufen, welche mit Eingesessenen aus den Provinzen
das Gesetz über die Provinzialstände zu berathen hätte. Stein's Städte-
ordnung sollte aufrecht bleiben und in den neuen Landestheilen mit einigen
Aenderungen eingeführt, die Kreis= und Landgemeindeordnung dagegen
für jede Provinz besonders mit dem Beirath der Provinzialstände festgestellt
*) Metternich an Zichy, 25. April; Krusemark an Bernstorff, 27. April; Bernstorff
an Hardenberg, 4. Mai; Hardenberg an Koreff, 6. Mai; Koreff's Antwort, 10. Mai;
Schöll an Benzenberg, 6. Mai, an Hardenberg, 8. Mai; Benzenberg's Antwort, 7. Mai 1821.