Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

276 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
der Eitelste der Eiteln, Chateaubriand die Führung der französischen 
Gesandtschaft. Die Mächte trauten dem schöngeistigen Diplomaten nicht; 
er hatte sich in den räthselhaften Wandlungen seines vielgeschäftigen 
politischen Lebens bald als Ultra, bald als Freund der Charte gebärdet 
und vor Kurzem erst als Gesandter in Berlin, bis auf ein paar Unter- 
haltungen mit der galanten Herzogin von Cumberland, schlechterdings 
nichts geleistet. Wie strahlte der verwachsene kleine Mann in befriedigtem 
Selbstgefühl, da er jetzt als erster Bevollmächtigter Frankreichs in den 
engeren Rath Europas eintrat. Zur allgemeinen Ueberraschung zeigte er 
sich noch kriegslustiger als Montmorency selber. Er schwärmte für die 
Befreiung des bourbonischen Stammesvettern, er bekannte dankbar, welche 
treffliche Schule er hier, unter den Bannerträgern der Legitimität, durch- 
gemacht habe, und scheute sich nicht seinen Hof kurzweg zu belügen, indem 
er ihm die kriegerischen Absichten der drei Ostmächte versicherte. So trieb 
man denn steuerlos hinein in einen Kampf, welchen mindestens Oester- 
reich und Preußen nie gewollt hatten, und traurig bekannte Bernstorff 
seinem Ancillon: die Ergebnisse dieses Congresses sind nicht nach unseren 
Wünschen. Hatte Czar Alexander in Troppau, in Laibach, in den griechischen 
Händeln überall zuletzt der Ueberredungskunst Metternich's nachgegeben, 
hier in Verona blieb er der Sieger. Er erreichte zwar nicht eine feierliche 
Kriegserklärung der Allianz gegen die spanische Revolution; doch er bewirkte, 
daß ein Krieg Frankreichs gegen Spanien sich vorbereitete, der, wie man 
noch allgemein annahm, auch die anderen Mächte in seine Wirbel hinein- 
zureißen drohte. 
Und wie theuer mußte dieser Erfolg Rußlands bezahlt werden! Am 
19. und 20. Nov. erklärte Wellington in zwei Denkschriften, daß England 
an den letzten Schritten der Mächte sich nicht betheiligen könne und über- 
haupt nur dann in die inneren Zustände anderer Staaten sich einmische, 
wenn seine eigenen Interessen bedroht seien. Das war Canning's Absage 
an die große Allianz. Am 24. Nov. zog Wellington schon das scharfe 
Schwert, das England bereit hielt, halb aus der Scheide, indem er die 
Unabhängigkeit Südamerikas zur Sprache brachte. Mit drängendem Eifer 
hatte ihm sein Minister geschrieben: die amerikanischen Fragen sind jetzt 
für uns weit wichtiger als die europäischen; „wenn wir sie nicht ergreifen 
und zu unserem Vortheil wenden, so laufen wir Gefahr eine Gelegenheit 
zu verlieren, welche niemals, niemals wieder gewonnen werden kann.“ 
Von der Freiheit der neuen Welt, von dem Erwachen werdender Völker 
verlautete in diesen nüchternen handelspolitischen Erörterungen keine Silbe; 
die großen Worte behielt sich Canning für seine Parlamentsreden vor. 
In der That befand sich die britische Flagge in den amerikanischen Meeren 
in peinlicher Bedrängniß; sie konnte sich der Seeräuber kaum erwehren, 
so lange sie nicht auf den Schutz der neuen Staatsgewalten in den 
Küstenstaaten rechnen durfte. Schon im vergangenen März hatte Präsident
	        
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