Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

308 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
erwarten hattels) Zuletzt riefen die unsicheren, vereinzelten Retorsionen 
der süddeutschen Höfe nur einen neuen gehässigen Zank zwischen Baiern 
und Baden hervor; denn da die bairische Pfalz keine Mauthen besaß, 
so mußte Baden, um die französischen Weine wirksam zu treffen, auch die 
Weineinfuhr vom bairischen Ueberrhein verbieten, was wieder beairische 
Klagen veranlaßte — und so weiter ins Unendliche. 
Gegen den Herbst 1822 schienen die Verhandlungen wieder vorwärts 
zu rücken. Baiern, ermuthigt durch einen drängenden Beschluß seines 
Landtags, legte sich kräftig ins Zeug; der rastlose Wangenheim brachte 
einen Vermittlungsantrag ein, zu Gunsten der bairischen Vorschläge. Aber 
noch immer ward man nicht Handels einig, man zerrte herüber und hin- 
über. Da verlor die darmstädtische Regierung die Geduld; sie hatte ihrem 
Landtage baldige Regelung des Zollwesens versprochen und erklärte jetzt 
(Februar 1823): wenn man nicht endlich sich vergleiche, so werde Darm- 
stadt für sein eigenes Haus sorgen. 
Die preußische Regierung sah diesen wohlgemeinten aber aussichts- 
losen Verhandlungen gelassen zu, da sie sich mit jedem Jahre mehr von 
der Lebenskraft ihres eigenen Zollgesetzes überzeugte, und ließ sich in ihrer 
kühlen Geringschätzung nicht stören, als die landesüblichen Kraftreden wider 
Preußens Zollsystem auch auf der Darmstädter Conferenz erklangen. Eine 
Denkschrift des Auswärtigen Amts bemerkte darüber späterhin trocken: 
„Man wählte in Darmstadt Preußen zum Stichblatt, weil man dadurch 
die öffentliche Meinung gewann und seine eigenen Pläne leichter durch- 
setzen konnte.“““) Metternich hingegen, der den Darmstädter Plänen keinen 
fruchtbaren Gedanken entgegenzustellen wußte, ward der Sorgen nicht 
ledig. Schon vor Eröffnung der Conferenzen ermahnte er Berstett, 
mindestens den Einfluß der Subalternen und der Landstände fern zu 
halten. Zugleich mußte Marschall gegen den Karlsruher Hof den Verdacht 
äußern, ob vielleicht Nebenius selber zu den verkappten Demagogen gehöre. 
Der badische Minister versuchte seinen Gönner zu beschwichtigen und gab 
an Nebenius gemessene Weisung, sich vor allen politischen Nebengedanken 
zu hüten: „Auch aus dem Einfachsten wird Gift gesogen. Rücksichten, die 
mehr gefühlt als bezeichnet werden können, verbieten, den Landtagen irgend 
welche Einwirkung zu gestatten.“ Gleichwohl blieb Metternich argwöhnisch, 
und sein Marschall gestand ihm wehmüthig: da der Kaufmann mit seinem 
beweglichen Capitale leider nicht einem, sondern allen deutschen Staaten 
angehöre, so könne die Handelssache von den Revolutionären allerdings 
leicht für ihre Einheitsträume ausgebeutet werden.“““) Selbst der unver- 
—... ——— — — — 
*) Weisung Berstett's an Tettenborn in Wien, 28. Juni; Metternich an Hruby in 
Karlsruhe, 12. Aug. 1822. 
**) H. v. Bülow, Denkschrift über die süddeutschen Handelsvereine, 9. April 1828. 
*7) Metternich an Berstett, 1. Sept.; Berstett an Nebenius, 13. Sept.; Marschall 
an Metternich, 10. Sept. 1820.
	        
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