Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

340 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
hinausgezogen, dann an das Austrägalgericht in Lübeck verwiesen. Im 
Jahre 1830 entschied das Gericht, wie sich von selbst verstand, zu Gunsten 
der Klägerin. Aber inzwischen war die Fürstin gestorben, und ihr Sohn, 
Lord Craven, erhielt in Baiern den Bescheid, die Forderung sei nach 
bairischem Gesetz erloschen. Er konnte niemals zu seinem Rechte gelangen 
obgleich die englische Regierung sich seiner annahm und die Londoner 
Presse mit wohlverdienter Verachtung über dies Probstück deutscher Treue 
sprach. Gentz war im Rechte, so weit hatte man es seit dem Jahre 1819 
gebracht! Angesichts dieses Jammers war es kaum noch zu verwundern, 
daß Metternich am 18. Sept. 1828 der Bundesversammlung die höhnische 
Zumuthung stellen ließ, sich in Ermangelung von Geschäften auf unbestimmte 
Zeit zu vertagen. Der Antrag ward aus Schamgefühl nicht einmal in 
die geheimen Protocolle aufgenommen, sondern in einer geschriebenen 
Registrande versteckt; aber man ging darauf ein, und die Vertagung währte 
über vier Monate. 
So schimpflich dieser Zustand war, der ein großes Volk dem Ge— 
spötte Europas preisgab, er hatte doch sehr feste Wurzeln in den großen 
Weltverhältnissen. So lange Oesterreich, England, Dänemark, Holland 
dem Deutschen Bunde angehörten, mußte seine Centralgewalt entweder, 
wie in Wangenheim's Tagen, in unfruchtbarer Zänkerei oder in nichtigem 
Stillleben verkommen, und wer unter den tausenden treuer Patrioten, 
die über das deutsche Elend weinten, hatte über die Gründe der natio— 
nalen Schande auch nur ernstlich nachgedacht? Mit der Zeit knüpfte sich 
auch manches gesellschaftliche Band zwischen dem Bundestage, der Frank— 
furter Börse und den angesehenen Häusern der Nachbarschaft; die vor— 
nehme Welt des Südwestens konnte diesen immer unbeschäftigten und 
immer zu Lustbarkeiten aufgelegten Diplomatenhof bald nicht mehr ent- 
behren. Ungemein werthvolle Dienste leisteten ihm seine drei mächtigen 
Günstlinge, die Geschäftshäuser Rothschild, Taxis und Cotta. Die Firma 
Rothschild erstattete ihren Dank für die geschenkten Zinsen der deutschen 
Festungsgelder, indem sie den Wiener Hof mit geheimen Nachrichten be- 
diente und durch ihre weitverzweigte, stillwirkende sociale Macht die k. k. 
Bundespolitik unterstützte. 
Nicht minder dankbar zeigte sich das Fürstenhaus Thurn und Taxis, 
dem die Bundesakte alle seine alten Postrechte bestätigt und dadurch von 
Preußen und mehreren anderen Staaten eine reichliche Entschädigung ver- 
schafft hatte. In Württemberg, beiden Hessen, Nassau und den thüringischen 
Landen verwaltete das Haus die Posten selber mit der ganzen Scham- 
losigkeit des Monopolgeistes. Wie manche Reise in Mitteldeutschland 
unterblieb, weil man sich fürchtete in den entsetzlichen Wagen dieser Post 
„thurn= und taxirt zu werden“, wie der Volksmund sagte. Die durch 
Börne's Witze verherrlichte Taxis'sche Postschnecke brauchte für die vierzig 
Stunden Weges zwischen Frankfurt und Stuttgart sechsundvierzig Stunden,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.